Im Jahr 2014 wurden in Berlin 6.405 Ehen geschieden. Eine davon war meine. Jetzt habe ich meinen Ex-Mann getroffen, um über unsere Trennung zu sprechen. Natürlich nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal, als das, was wir jetzt sind: Freunde.
Die Trennung war traumatisch, ebenso wie die Erfahrung beim Amtsgericht in Berlin-Pankow, wo unser Leben innerhalb von 90 Sekunden (Frank hat die Zeit gestoppt) offiziell auseinander dividiert wurde. Damals habe ich mir geschworen: "Ich heirate nie wieder."
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie mein Leben ohne die große Liebe an meiner Seite weitergehen soll und habe meine Erfahrungen versucht, in einem Buch zu verarbeiten: "
Meine Sonne. Mein Mond. Meine Sterne."
Frank und ich haben kaum eine Gelegenheit ausgelassen, uns gegenseitig wehzutun und die Trennung so schwer wie möglich zu machen. Inzwischen glaube ich, dass manche Paare eine Ladung Sprengstoff brauchen, um voneinander loszukommen.
Heute bin ich froh sagen zu können, dass wir wieder Kontakt haben. Die Wut ist weg und wir konnten das erhalten, was uns als Menschen verbindet, die zwölf Jahre lang Briefkasten und Klo miteinander geteilt haben: eine innige Vertrautheit und jede Menge lustige Erinnerungen.
Ich bin etwas aufgeregt mit dir über uns zu sprechen, deshalb ist mein Einstieg in dieses Gespräch ein prominentes Beispiel: Gwyneth Paltrow wurde belächelt, als sie nach der Trennung von Chris Martin über ein "Conscious Uncoupling" sprach, also eine bewusstes Trennung zugunsten der Kindern und einer Freundschaft. Einen öffentlichen Rosenkrieg gab es damals nicht. Wie denkst du über den Begriff?
Die Idee finde ich total gut, aber sie ist schwierig umzusetzen. Eine Beziehung ist ja nicht erst in dem Moment zu Ende, indem du sagt: "Ich will nicht mehr." Die Paar-Ebene ist schon viel früher tot. Ich glaube, dass beide Partner dafür verantwortlich sind und meistens einer von beiden es nicht wahrhaben will. Das Problem ist, dass sich niemand traut zu sagen, was wirklich Sache ist. Aus Schiss lässt man eine Beziehung vor sich dahinplätschern, bis es zum großen Knall kommt.
Das ging mir ähnlich. Ich hätte gerne gesagt: Ich langweile mich. Oder: Ich habe mir das irgendwie anders vorgestellt. Oder: Du nervst mich. Oder: Warum schlafen wir nicht mehr miteinander? Stattdessen haben wir jeden Abend stumpf Serien geguckt.
Ja, wir haben es versäumt uns rechtzeitig gemeinsam hinzusetzen und mit offenen Karten zu spielen. Es gab schon viel früher einen Zeitpunkt, an dem uns das beiden klar gewesen ist, dass es vorbei war. Spätestens, als du mit einem anderen Mann am Start warst.
Oh Mann, das aus deinem Mund zu hören, ist so hart für mich. Dabei habe ich dich betrogen, ja. Ausgezogen bin ich trotzdem nicht. Wie hast du diese Zeit damals mit mir empfunden?
Jeder hat ab einen bestimmten Zeitpunkt sein Ding gemacht. So haben wir das "Wir-Gefühl" verloren. Ich habe in meiner eigenen Blase gelebt und der Fantasie nachgehangen, warum wir damals geheiratet haben. Als ich dich getroffen habe, hat es "Boom" gemacht und ich wusste: Du bist es. Dieses Gefühl wollte ich lange nicht aufgeben, obwohl ich wusste, dass unsere Geschichte kein Happy End haben wird.
Als wir geheiratet haben, war ich 22 und du 25 Jahre alt. Wie konnte es passieren, dass wir so lange eigentlich nur noch in einer WG gelebt haben? Wir waren doch jung und cool, haben in einer schönen Wohnung in Berlin-Mitte gelebt und hatten alle Freiheiten, die man sich wünschen kann.
Ich kann nur für mich sprechen: Ich habe lange Zeit meine Fresse nicht aufgemacht und gesagt, was ich will. Mein Leben wurde vor allem von äußeren Faktoren bestimmt: von meinem Job, dir, meiner Familie, deiner Familie… Mich selbst und meine Bedürfnisse habe ich hinten angestellt. Es hat lange gedauert, bis mir klar wurde, was ich will. Bis dahin konnte ich das dir gegenüber aber nicht formulieren. Heute weiß ich: Es bedarf viel Fingerspitzengefühl bei so einem Gespräch und der absoluten Notwendigkeit bei sich zu bleiben. Denn alles, was man in so einem Moment sagt, empfindet der Partner als Vorwurf.
Stimmt, ich war oft gekränkt. Du bist z.B. alleine nach Bali geflogen, wo wir vorher oft zusammen Urlaub gemacht haben. Das fand ich so krass. Surfen war immerhin unser gemeinsames Ding und Bali "unser" Paradies – und du hast das alles einfach ohne mich weitergelebt, während ich mir in Berlin eine neue Wohnung suchen musste.
Als ich in Frankfurt am Flughafen stand, fühlte sich das auch nicht richtig an. Aber es war einfach der Ort, der am weitesten von dir weg war.
In der Serie "Bad Banks" sagt ein Mann zu seiner Freundin, einer karriereorientierten Frankfurter Bankerin: "Warum können wir uns nicht das geben, was wir brauchen?" und trennt sich zugunsten einer familienorientierten Frau von ihr. Das finde ich einen starken Satz. Damals hätte ich dir den Freiraum geben müssen, aber ich war so enttäuscht, dass du ohne mich deinen Traum lebst.
Das war dein verletztes Ego. Mir ging es aber genau so. Als ich mit einer Therapeutin über unsere Situation gesprochen habe, sagte ich: "Ich weiß, dass es vorbei ist. Was mich aber nervt ist, dass ich weiß, dass jemand anderes mit meinem Spielzeug spielt." Es war wirklich wie auf dem Spielplatz, wenn ein Kind einem anderen Kind die Schaufel klaut. Dabei habe ja auch ich was mit anderen Frauen gehabt.
(Wir schweigen kurz.)
Ich fand’s krass zu sehen, dass du dich kurz nach unserer Trennung auf Tinder angemeldet hast. Ich war eifersüchtig und habe versucht dich immer noch zu kontrollieren, obwohl wir da dann jeder schon in einer eigenen Wohnung saßen. Am Telefon hast du mich mal angeschrien: "Du bist so kacke!" Das werde ich nie vergessen.
Das hatte nichts mit unserer Gefühlsebene zu tun.
„Ich denke, dass alle Rosenkriege von Egos geführt werden. Nicht von den Herzen.“ -
Ich kenne einen Mann, der vor über 20 Jahren von seiner Frau verlassen wurde. Darüber ist er nie hinweggekommen. Jetzt wurde sie verlassen und er hat es sich nicht nehmen lassen ihr durch das offene Autofenster zuzubrüllen: "Siehste, SO fühlt es sich an!"
Traurig, so hat er 20 Jahre lang in der Rolle des Opfers gelebt. Es ist einfach, dem anderen die Schuld für die Trennung zu geben. Aber wenn man es schafft, das Ego außen vorzulassen und die Situation sachlich betrachtet, kommen die meisten Paare zu dem Schluss, dass die Beziehung für beide nicht mehr funktioniert hat. Das bedeutet aber nicht, dass man den anderen nicht auf eine andere Art und Weise weiterlieben kann.
Wie kommt es eigentlich, dass du so zen-mäßig reflektiert bist?! Früher warst du eher aufbrausend.
Bei mir hat Ayahuasca viel bewirkt.
Von dieser "Wunderdroge" höre ich jetzt dauernd. An der Charité gibt`s sogar eine Studie über den psychedelisch wirkenden Pflanzensud, der in Deutschland illegal ist. Für mich klingt das nicht ohne Risiko, zumal ich Drogen hasse. Erklär’ mir bitte nochmal, was bei so einer Ayahuasca-Zeremonie passiert.
Es ist eine südamerikanische, indogene Heilmedizin, die dich während einer spirituellen Reise mit einem Schamanen deinem Bewusstsein näher bringt, dir eine Sicht auf dich selbst ermöglicht und dein Herz erreicht.
Interessant, da muss ich an unsere Ehetherapie denken, in der wir beide kaum gesprochen haben bzw. ich vor allem geheult, . Du hast unsere Trennung also mit einem Schamanen besprochen – und das hat dir geholfen?
Ich habe da alle meine Themen beackert. Man geht mit einer bestimmten Fragestellung in so eine Zeremonie und "die Mutter", also Mutter Erde gibt dir in Form einer Medizin die Antwort auf deine Frage – oder auch Antworten auf noch nicht gestellte Fragen.
Es ist nicht so, dass diese Medizin dir Antworten auf alles gibt, eher ist auch die Vorbereitung auf diese Reise die halbe Miete. Du beschäftigst dich eine Zeit lang aktiv mit dir selbst und bist gezwungen, dir deinen seelischen Ballast anzuschauen.
Die Medizin öffnet dann, während ihrer Wirkung, einen anderen Blickwinkel auf dich selbst. Ich habe gelernt wieder zu fühlen, nicht nur zu denken. Darin liegt für mich die Stärke von Ayahuasca: In einer verkopften Gesellschaft von der rationalen Ebene wieder emotional zu sich selbst zu finden.
Angeblich soll eine Ayahuasca-Session genau so wirksam wie eine Langzeittherapie beim Psychotherapeuten sein. Mit welcher Frage bist du also da reingegangen?
"Wer bin ich überhaupt – und was will ich?" Damals hatte ich jede Menge Schuldgefühle. Sei es in Bezug auf unsere gescheiterte Ehe, in die Brüche gegangene Beziehungen nach dir – mit sogar noch mehr Drama –, oder auch mein allgemeiner Lebensweg, den ich eingeschlagen hatte und dabei einer Großzahl von Menschen wohl wehgetan haben muss.
… und raus kamst du als "Frank, der Weise"?!
Nein, aber mit dem Gefühl "Frank, du bist gut und nicht dafür verantwortlich, wie andere handeln". Ich bin nur für mich selbst verantwortlich und muss schauen, dass es mir gut geht. Das galt auch für die Beziehungen nach dir. Ich wollte, so wie du, unbedingt eine Familie haben. Aber eine Beziehung kann nur dann funktionieren, wenn es beiden gut geht. Viele suchen ihr Glück im Partner und setzen die Beziehung einem großen Druck aus. Ich weiß heute, dass ich mein Glück selber lenken muss – und zwar unabhängig davon, wer an meiner Seite ist.
Ein wichtiger Satz, dessen Bedeutung ich auch verinnerlicht habe. Was denkst du denn, hätten wir damals bei unserer Trennung machen können?
Es war ja nicht alles scheiße – wenn man sich darauf besinnt, was einen mal als Paar verbunden hat, kann man einen Rosenkrieg vermeiden.
„Die meisten suchen einen Schuldigen, der für das Zerbrechen der Beziehung verantwortlich ist.“ -
Das macht es ja auch um vieles einfacher. Wenn ich einen Schuldigen benenne, muss ich mich nicht mit mir selbst auseinander setzen und kann schön in meiner eigenen unreflektierten Blase weiterleben, ohne Gefahr laufen zu müssen mich selbst zu ändern! Ich bin heute davon überzeugt, dass zum Scheitern immer zwei gehören.
Inzwischen bin ich doch wieder verheiratet und habe eine Tochter. Du bist auch Vater einer kleinen Tochter geworden. Als ich dich das erste Mal mit Kinderwagen gesehen habe, musste ich mit den Tränen kämpfen und habe gleichzeitig gelacht. Vor Glück! Ich finde, du machst das so toll. Wie war das für dich mich schwanger bzw. als Mutter eines Kindes zu sehen, das nicht von dir ist?
Das war überhaupt nicht komisch. Ich habe mich riesig gefreut für dich, weil ich wusste, dass du dir das schon lange gewünscht hast, auch als wir noch zusammen waren. Da kam dann aber immer deine Jobsituation als freie Journalistin dazwischen und zum Schluss musstest du eine Kinderwunschbehandlung machen. Da waren keine Bad Vibes von meiner Seite, nie. Auf der anderen Seite dachte ich aber, dass es für dich seltsam sein muss, mich mit Kind zu sehen. Zumal es bei mir und der damaligen Partnerin unkompliziert geklappt hat.
Du bist mit der Mutter des Kindes nicht mehr zusammen. Was würdest du Eltern, die vor einer Trennung stehen oder sich getrennt haben, gerne mit auf den Weg geben?
Niemals die Kinder zu instrumentalisieren, um dem Partner eins auszuwischen. Man ist zwar kein Paar mehr, bleibt aber ein Leben lang Eltern des Kindes. Deshalb sollte keiner aus der Entwicklung des Kindes ausgeschlossen werden. Der Fokus sollte auf dem Kind liegen und nicht auf der persönlichen Ebene. Die meisten Kinder sind in einer Phase der Beziehung entstanden, in der man etwas Positives für einander empfunden hat. Dieses Gefühl sollte man versuchen zu erhalten. Ich will mich auch in dieser Situation nicht von meinem Ego leiten lassen, sondern einfach weiter Vater sein.
„Man muss das Unglück aber auch nicht der Kinder zuliebe aushalten.“ -
Es gibt viele Paare, die für ihre Kinder weiter heile Welt spielen. Dabei lernen Kinder doch dann nur eins: Dass es besser ist, den Mund zu halten, selbst wenn es einem nicht gut geht.
Manchmal treffen wir uns mit unseren Töchtern, gehen frühstücken oder auf den Spielplatz. In diesen Momenten bin ich so stolz auf uns und hoffe immer, dass wir möglichst viele Bekannte treffen – damit sie sehen, dass wir auf unsere Art doch ein Happy End gefunden haben.
Dem kann ich nur zustimmen! Vielleicht können sich manche Paare an uns ein Beispiel nehmen. Unser Trennungsjahr war schlimm, ja. Aber unsere Bindung war groß genug. Für mich war immer klar, dass wir das hinbekommen, nachdem die Verletzungen verheilt waren. Es ist eine aktive Entscheidung zu sagen: "Lass uns Freunde bleiben."