Bücher, Serien & Unterhaltung
Mut zum Erfolg
Autorin Caroline Wahl über ihren ersten Bestseller „22 Bahnen“ und warum so viel Aufmerksamkeit nicht immer einfach ist.
von Caroline Wahl - 01.04.2024
Hier gibt es die Audiodatei als Download.
Es war eine Zeit, in der es mir nicht gut ging, als ich den Roman zu schreiben begann. 
Ich hatte gerade alle Zelte abgebrochen in Deutschland für einen vielversprechenden Verlagsjob in Zürich, der dann nicht so war, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, und fühlte mich fremd in der neuen, dekadenten, viel zu schönen Stadt.
Kurz vor dem Umzug hatte sich während meines Verlagsvolontariats der Wunsch herauskristallisiert, vielleicht doch die Seite zu wechseln und Autorin zu werden, und so hatte ich mich mit dem herannahenden Ende des Volontariats nicht nur in Zürich und bei anderen Stellen beworben, sondern auch in Leipzig und Hildesheim für den Masterstudiengang Literarisches Schreiben. 
Dann kam die Absage von Leipzig, die Einladung zum Gespräch von Hildesheim und die Zusage von Zürich und ich entschied mich für Letzteres und die vermeintliche Verlagskarriere in der Schweiz.
Als ich in Zürich war und sich der Job, auf den ich viel gesetzt hatte, als Scheißjob erwies und ich null in der Stadt ankam, bekam ich Panik, weil ich nichts hatte außer diesen Job in dieser fremden Stadt.
Und dann dachte ich: wenn, dann jetzt. Sagte zu mir: Du kannst auch ohne Leipzig oder Hildesheim schreiben.

„Du schreibst jetzt einen Roman, von Anfang bis Ende. Und du fängst jetzt damit an. Jetzt. Und nicht morgen. “ -

Ich wollte partout nicht über mich selbst schreiben, weil ich wirklich keine Lust hatte, mich noch mehr mit mir selbst zu beschäftigen. Stattdessen wollte ich eine coole Heldin schaffen, die auf den ersten Blick sehr kühl, berechnend und fast schon brutal wirkt, aber die auf den zweiten Blick auch eine zärtliche, verträumte und liebevolle Seite hat. Tilda war in meinem Kopf und ich fing sofort an zu schreiben, als sie da war, weil dieser Impuls, einen Roman zu schreiben, nicht wieder vorbeiziehen durfte.
Und dann floss es raus.
Schreiben war in der Zeit mein Schutzraum und dieser Roman mein Zuhause in der Fremde, auch wenn das megapathetisch klingt.
Es war mein Projekt. So ein Fenster in eine Zukunft, von der ich mir zu träumen gestattete. Außerdem hat es Freude gebracht, mit den beiden Schwestern Zeit zu verbringen, weil Tilda und Ida es schaffen, trotz der Widrigkeiten, die ihnen in den Weg geschmissen werden, den Blick für die schönen Dinge nicht zu verlieren.
Die ersten Seiten hatte ich gleich einer Agentur geschickt, um, falls ich eine Rückmeldung bekam, zu erfahren, ob der Text Potenzial hatte. Glücklicherweise bekam ich sofort die Rückmeldung, dass ich dranbleiben sollte. Das hat mir Sicherheit gegeben und mich zum Weiterschreiben motiviert. Also bin ich drangeblieben.
Weihnachten bin ich, anstatt mit meiner Familie in den Skiurlaub zu fahren, im Elternhaus geblieben, um den Text fertigzustellen, und habe sie nur an Heiligabend mit dem Zug besucht. Die dachten auch, dass ich spinne, dass ich meine ganze Freizeit so einem zum Scheitern verurteilten Projekt widmete.
Der Traum bzw. das Ziel war es, dass es möglichst schnell ein Buch wird, wobei meine Agentin mich auch vorwarnte, dass es immer Texte gibt, die durchrutschen. Und ich war so ungeduldig neugierig, ob mein Text durchrutschen oder ein Buch werden würde.
Die Auktion kam, mein Text rutschte nicht durch und als ihn sogar mehrere Verlage wollten, realisierte ich das erste Mal, dass das ein größeres Ding werden könnte.
Und als es dann wirklich ein größeres Ding und so erfolgreich wurde, war es schon krass überwältigend.

„Aber Erfolg ist irgendwie auch ein komisches Phänomen und ich finde es sehr schwierig, gut mit Erfolg umzugehen.“ -

Er ist auf einmal da und man weiß nicht, was man damit machen soll, ob man etwas damit machen soll, ob man nicht mehr Freude wegen ihm in sich verspüren müsste. Und aufgrund der ganzen Lesungen und dem Stress hatte ich irgendwie wenig Zeit, mal runterzukommen und mich in der Freude zu suhlen. Stattdessen habe ich mich manchmal sehr einsam gefühlt, wenn ich samstagabends allein im Hotelzimmer saß oder frierend auf einen 9.000 Minuten verspäteten Zug warten musste. Aber ich will nicht jammern, weil ich am Ende einfach nur krass dankbar bin für alles, was mit dem Buch passiert ist, und dass ich jetzt hauptberuflich Autorin bin und zurzeit gut vom Schreiben leben kann, ist das Schönste was mir je widerfahren ist. Nichts fühlt sich so richtig an, wie zu schreiben. Aber ich denke, ich habs auch verdient.
Für mein zweites Buch macht der Erfolg des ersten Buchs gar nichts. Immer wieder werde ich gefragt, wie es die Arbeit an dem zweiten Roman beeinflusst, dass das Debüt so gut lief. Wie schwer ist der zweite Roman? Man sagt ja, der zweite Roman sei der schwerste, hast du Angst? Blablabla.
Ich habe sofort, als das Lektorat von 22 Bahnen abgeschlossen war, mit meinem zweiten Roman angefangen, weil ich Angst hatte, dass ich sonst nicht Autorin bleibe, und weil ich schauen wollte, ob es wieder so fließt. Und es floss. Ich liebe schreiben und wenn ich schreibe, habe ich keine Angst, ich denke nicht an die Außenwelt oder an Leser*innen, bin in der Geschichte. Wenn ich nicht schreibe, frage ich mich natürlich manchmal, wie Windstärke 17 laufen wird. Aber nicht sorgenerfüllt, dass es nicht läuft, sondern eher neugierig.
Ich denke, dass man sich da als Autor*in nicht zu wichtig nehmen darf, es ist nur ein Buch von vielen coolen Büchern, die zeitgleich erscheinen. Manche werden durchstarten, manche nicht, manche ein bisschen.

„Wichtig ist, dass man weitermacht, egal wie es läuft, weil es sich richtig anfühlt.“ -

Und wenn der zweite Roman nicht so durchstartet wie der erste, dann wird der dritte Roman halt ein Banger. Und außerdem glaube ich, dass Windstärke 17 gut laufen wird, weil der Text gut ist.
Im  Mai 2024 erscheint Caroline Wahls zweiter Roman „Windstärke 17“ und am 15. Mai 2024 treffen wir sie hier im Abo zu einem Live inklusive Lesung.

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