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„Finanzielle Unabhängigkeit“ war das Mantra, das ich seit meiner Jugend von meiner Mutter vorgesungen bekam. Es hat mich kolossal genervt, denn als freie Schreiberin mit schwankender Auftragslage war ich meistens auf einem ganz anderen Stern als auf dem der finanziellen Unabhängigkeit. Ich hockte auf Planet Pleite.
Wirklich, ich habe überhaupt kein gutes Händchen für Geld. Lange Zeit habe ich es so gehalten: Ich habe gearbeitet und das meiste der Kohle, die ich verdient habe, ausgegeben. Meine Fixkosten verschlangen einen großen Teil meiner Einnahmen, hauptsächlich meine Versicherungen. Aber auch mein hedonistischer Lifestyle war teuer. Ich lebte nach dem Motto: Alt werde ich einfach später. Da mich die meisten meiner Redaktionsjobs nie glücklich machten, gab ich zum Trost meiner kleinen Seele viel Geld für mich selbst aus: Designerklamotten, Beautyprodukte, Duftkerzen oder Bohokissen. So als könnten all diese Dinge die Leere in meinem Inneren auffüllen. Wirklich gespart habe ich nie.
Jedes Mal, wenn ich Post vom Finanzamt bekam, hatte ich vor dem Briefkasten eine Panikattacke. Denn das Geld, das die Behörde von mir forderte, hatte ich nicht mehr. Es war weg. Ich fing dann an auf Online-Plattformen wie eBay oder Vestiaire Collective all das zu verkaufen, was ich zuvor angeschafft hatte. Natürlich mit Verlust, aber die Hauptsache war, es kam Geld rein. So entstand ein Kreislauf aus Kaufen und Verkaufen.
„Die einzige Lösung, die ich sah, um meiner Misswirtschaft zu entfliehen, war der Eurojackpot.“ -
Ab 20 Millionen Euro stieg ich ein. Jedes Mal, wenn der Jackpot nicht geknackt wurde und weiter bis auf die maximale Summe von 90 Millionen Euro wuchs, war ich mir wie 7,3 Millionen andere Menschen, die in Deutschland regelmäßig Lotto spielen, sicher, dass ich die glückliche Gewinnerin sein würde. Gedanklich bezahlte ich schon meine Steuerschulden, verteilte einen Teil des Geldes auf meine Verwandten und tauchte danach mit dem Rest für immer unter. Für einen Moment lang war ich erleichtert und glücklich: nie mehr Geldsorgen, hurra!
Kurzes Update: Ich habe es nie geschafft, den Eurojackpot zu knacken, ich habe noch nicht mal meine Einsätze eingespielt. Also musste ich mich meinem finanziellen Schlamassel stellen. Denn aufgrund der plötzlich allgegenwärtigen Berichterstattung über Frauen und ihre mangelnde Altersvorsorge dämmerte mir, dass mir nicht nur beim Thema
Kinderwunsch die Zeit vor der Nase weggeflutscht war, sondern auch in Sachen Finanzen. Ich hatte es so satt, mir Sorgen um Geld zu machen. Dieser Satz brachte für mich eine Veränderung in Gang, an der ich mithilfe von mehreren Berater*innen und Coach*innen nach wie vor bastele: „Wann willst du eigentlich aufhören zu arbeiten?“, fragte mich eine Freundin. Sie, Beamtin auf Lebenszeit, lächelte. Ich, seit 20 Jahren selbstständig, stammelte: „Äh, keine Ahnung!“
Meine Freundin weiß fast auf den Tag genau, wann sie in Rente geht und welchen Betrag sie dann monatlich zur Verfügung hat. Ich nicht. Als die Autorin Alexa von Heyden gehe ich davon aus, dass ich so lange schreibe, bis ich – im wahrsten Sinne des Wortes – den Stift fallen lasse. Aber die Privatperson Alexa kann es sich nicht leisten, mit 67 Jahren aufzuhören zu arbeiten. Zu dem Schluss kam ein sogenannter
Entnahmeplan für meine Rente aus Kapitalvermögen. Der Computer sagte mir, wie lange ich mit den Beträgen meiner privaten Vorsorge in 25 Jahren hinkomme. Fazit: Ich kann mir zehn Jahre Ruhestand leisten, danach bin ich bankrott.
Ich wurde wütend. Warum hat mir das keiner gesagt? Warum lernt man in der Schule unnützes Wissen wie die Schnittgerade zweier sich kreuzender Ebenen im fünfdimensionalen Raum und was im Sexualleben der Miesmuschel abgeht, nicht aber, was passives Einkommen ist? Wieso erklärt einem keiner nach dem Uni-Abschluss, was
ETFs sind und dass aus monatlich 100 gesparten Euro bei einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von sieben Prozent im Alter ein kleines Vermögen entstehen kann? Ich dagegen hatte mein Geld in Wodka Lemons und Partytops von Zara investiert. Na toll.
Wie viele andere Frauen fühlte ich mich vom System ausgenutzt und abgehängt. Ich hatte doch immer gearbeitet und Steuern gezahlt. Aber mein Frust brachte mich nicht weiter. Also begann ich alles zu überprüfen und zu hinterfragen, was ich in den letzten 20 Jahren Berufsleben vermasselt hatte.
Okay, ich hatte inzwischen ein Kind bekommen und mit meinem Mann ein vergleichsweise günstiges Haus in Brandenburg gekauft, das ist schon mal nicht schlecht. Aber ohne ein privates Darlehen meiner Familie hätte ich mir das nicht leisten können. Besitze ich sonstige Immobilien oder Grundstücke? Nein. Generiere ich anderweitig passives Einkommen durch Crypto Staking, Lizenzen oder Tantiemen? Nein, aber vielleicht wird ja mein nächstes Buch ein Weltbestseller. Ersparnisse? Eher mickrig, wir renovieren ja noch. Sparpläne: laufen erst seit diesem Jahr. Bitcoins & Co.: auch erst seit 2021. Unter dem Strich sind meine Finanzen immer noch mau.
„Du musst deine Preise erhöhen“, riet mir eine Kollegin. Ich sah sie entsetzt an. „Dann wäre ich doch ein Arschloch“, antwortete ich und dachte dabei an meine Auftraggeber*innen, die ein gutes Bild von mir haben sollten. Ich wollte nicht größenwahnsinnig oder frech wirken. Dann erinnerte ich mich an die zahllosen Vorstellungsgespräche in meinem Leben, in denen ich gesagt bekam, dass das sechsmonatige Praktikum leider unentgeltlich sei oder mehr als ein Tagessatz von 150 Euro nicht im Budget lägen. Ich hatte akzeptiert, unterbezahlt zu sein, staunte jedoch stets über die hervorragenden Ergebnisse der anderen.
Mir fehlte aber nicht nur das Wissen über die Aktienmärkte und das Selbstbewusstsein, mir selbst eine Gehaltserhöhung zu geben. Ich fühlte mich immer schlecht, wenn es ums Geld ging.
„Gespräche mit meinem Mann endeten immer im Streit. Ich war so emotional, wenn es um meinen Kontostand ging. Woran lag das?“ -
„Kaum ein Thema ist so angsterfüllt und schambesetzt wie Geld“, weiß
Julia Lakaemper. Als Coachin hilft sie selbstständigen Frauen, ihre negativen Glaubenssätze in Bezug auf Geld aufzulösen, und begleitet sie in die finanzielle Unabhängigkeit. Das bedeutet nicht nur, eine profitable Selbstständigkeit aufzubauen, sondern auch, die berufliche und private Lebenssituation klarer zu sehen. Vor allem Frauen von Mitte 30 bis Mitte 40 melden sich bei Julia. Was sie gemeinsam haben? „Fast alle haben lange Zeit die Interessen anderer in den Vordergrund gestellt.“ Julia bringt ihnen nicht nur bei, groß zu denken, sondern sich nachhaltig selbst zu unterstützen. Ich fühlte mich sofort angesprochen.
Das Lustige ist, dass ich Julia noch aus der Zeit kenne, in der sie als PR-Beraterin tätig war. Wie ich kennt sie die Unzufriedenheit und Sinnlosigkeit, die man in der Kreativbranche oft empfindet – und trotzdem ist man stolz darauf, ein Workaholic zu sein. „Ich hatte irgendwann genug Pressemitteilungen über Lautsprecher und Turnschuhe geschrieben“, erinnert sie sich. Damals war sie Mitte 30, ohne Karriere, Ehemann oder Kinder und dachte: „Super, ich habe nichts geschafft.“ Die gebürtige Gütersloherin nahm sich eine Auszeit, reiste drei Jahre lang durch Neuseeland, Australien, Südostasien und Indien. Sie praktizierte Yoga und Vipassana-Meditation, die ihr half, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Am Ende stand ihr Wunsch fest, Coachin zu werden und eine ortsunabhängige Beratung anzubieten.
Obwohl die Selbstständigkeit ihr ein bescheidenes Leben finanzierte, verlor sich Julia in Selbstzweifeln und fragte ihren ehemaligen Chef, ob er wieder einen Job für sie habe. „Das war mein Tiefpunkt“, erzählt sie. „Ich dachte, ich schaffe es nicht.“ Dann bekam sie auch noch Post vom Finanzamt, das eine Einkommenssteuerzahlung von 10.000 Euro forderte. Jetzt musste Julia es schaffen. Innerhalb von sechs Wochen entwickelte sie ihr Money Mindset Coaching-Programm und verkaufte es an 15 Klient*innen. Julia konnte pünktlich ihre Steuern zahlen und erreichte mit ihrem Business 2019 den ersten Meilenstein: 100.000 Euro Umsatz im Jahr.
Bei ihrer Arbeit macht die 45-Jährige immer wieder die Erfahrung, dass es bei wirtschaftlichen Problemen oft gar nicht um das Geld an sich geht, sondern um unsere Beziehung zu Geld. „Die ist von der preußischen Leistungsgesellschaft geprägt. Wir glauben, ein guter Job geht fünf Tage die Woche, acht Stunden am Tag. Wir denken: ‚Ich muss viel arbeiten, um viel Geld zu verdienen.‘ Dass wir heute durch die Digitalisierung viel schneller viel mehr Geld verdienen können, empfinden wir gegenüber der Generation unserer Eltern oder Großeltern als nicht loyal.“ Viele verbinden mit Reichtum sogar etwas Schlechtes, was die Faszination für Reality-TV-Shows wie „Die Geissens“ erklärt, weil darin das Bild des verkommenen Jetsets bestätigt scheint.
„Dabei ist Geld an sich weder gut noch böse. Es ist neutral. Es sind unsere Bewertungen, die ein Drama daraus machen“, so Julia. Ich begriff: Ich musste nicht nur die Dinge auf dem Papier ändern, sondern auch meine Einstellung zu Geld.
Den Begriff „Mindset“ hört man gerade in Bezug auf jeden Furz.
„Tatsächlich hatte ich aber einen ziemlich fiesen Glaubenssatz in meinem Kopf einbetoniert: Ich werde nie etwas besitzen.“ -
Woher kam das? Aus meiner Kindheit. Nachdem mein Vater gestorben war, verloren wir unsere Existenz. Mein Vater hatte keine Lebensversicherung und hinterließ meiner Mutter Schulden in Höhe von einer Million D-Mark. Und nicht nur das: Als alleinerziehende, selbstständige und in Teilzeit arbeitende Frau bekam meine Mutter im Laufe ihres Lebens immer Steine in den Weg gelegt. Eine eigene Immobilie konnte sie sich nicht kaufen, weil ihr die finanzielle Sicherheit für einen Kreditvertrag fehlte. Hingegen sicherten ihre verheirateten männlichen Kollegen ihre Immobilienkäufe über ihre Praxen ab und sparten dabei sogar noch Steuern.
Dieses Lebensgefühl einer Frau, die finanziell benachteiligt ist, habe ich verinnerlicht, ohne es zu reflektieren. Mir wurde klar: Mein Money Mindset liegt am Boden.
„Statt ein Geldmagnet zu sein, habe ich es abgestoßen, weil zwei Dinge für mich in meinem Kopf nicht zusammenpassten: eine Frau und Geld.“ -
Durch mein Verhalten habe ich mich darin selbst bestätigt. Diese Blockade hielt mich nicht nur davon ab, meine Einnahmen zu sparen, sie sinnvoll auszugeben oder professionell zu verwalten. Sondern auch davon, zu genießen, dass ich Geld habe. Ich musste es sofort wieder loswerden, um wahr zu machen, woran ich glaubte.
Ist das jetzt Küchenpsychologie oder wirklich der Grund für meinen Geldschlamassel? „Es ist deine Wahrheit“, sagt Julia und verweist auf eine wichtige Erkenntnis aus den Neurowissenschaften: „Oft gedachte Gedanken werden zu Überzeugungen, die dein Verhalten stark beeinflussen.“ Es ist keine Seltenheit, dass in Julias Kursen dicke Tränen kullern. Ihr gelingt es aber dann, in den Köpfen ihrer Klient*innen das Thema Geld nicht mit Scham oder Angst, sondern mit positiven Gefühlen wie Selbstliebe und Verantwortung zu besetzen.
Ich verstand: Wenn ich mich um mein Geld kümmere, sorge ich für mich. Nicht nur weil ich mir dann mehr kaufen kann – sondern weil ich mir Möglichkeiten schaffe, wie ich z.B. meine Zeit verbringe. So verschrieb ich mir selbst eine Money Rehab, also eine Geldtherapie, mit der ich meine Beziehung zu Geld heilte: Der erste Schritt war eine
Honorarberatung, wobei ich die heute als kostspielig empfinde und die Informationen durch eigene Recherche auch erhalten hätte. Aber als Anstoß war sie gut. Danach habe ich meinen Steuerberater gewechselt und in eine professionelle Software für Finanzen und Buchhaltung (
Lexware)
investiert. Nach ein paar Vergleichen habe ich meine Sparpläne bei einem digitalen Vermögensverwalter (
Evergreen) angelegt. Im Sommer 2021 folgte ein Crypto Workshop bei
FemmeCapital und eine Investition in Bitcoin, Ethereum, Polka Dot, Cardano und The Graph (alles über
Coinbase). Als nächsten Schritt prüfte die
Deutsche Medien- & Künstlerberatung (DMKB Berlin) alle meine Sozial-, Firmen- und Privatversicherungen. Wichtig war dabei u.a. die Anerkennung meiner Ausbildungs- und Kindererziehungszeiten bei der Deutschen Rentenversicherung. Es folgte der Eintritt in die
Künstlersozialkasse und der Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenkasse. Nebenbei habe ich diese Ratgeber gelesen, wobei die Liste noch fortgeführt wird: Rich Dad Poor Dad (Robert T. Kiyosaki
), Easy Money (Margarethe Honisch), Frau & Geld (Helma Sick und Renate Fritz), Ein Hund namens Money (Bodo Schäfer
) und Frugalismus für Einsteiger (Annika Reinmann). Ich bin so stolz darauf, was ich dieses Jahr erreicht habe.
Inzwischen kann ich es mir leisten, statt den früher üblichen acht Stunden nur sechs Stunden am Tag zu arbeiten. Die restliche Zeit verbringe ich mit Ausgleich oder Weiterbildung. Denn das wichtigste Asset in Sachen Finanzen ist nicht mein Haus, mein ETF-Sparplan oder meine Bitcoins. Es ist mein Gehirn. „Je mehr Zeit und Geld du in dein Gehirn und in deine finanzielle Bildung investierst, desto mehr Zeit und Geld wirst du für dich kreieren“, sagt Julia und rät dazu, Sachbücher zu lesen, Podcasts zu hören, mit Journaling die eigenen Gedanken und Gefühle zu reflektieren, Coachings zu machen oder Seminare zu besuchen. Das Ziel: immer wieder neues Wissen aufnehmen und umsetzen.
Eine weitere wichtige Lektion meines Financial Healings war, dass meine Finanzen und meine Altersvorsorge so individuell wie ich sind und deshalb immer meiner aktuellen Lebenssituation angepasst werden müssen. Es gibt nicht DIE eine Lösung für mich, auf der ich mich die nächsten 25 Jahre ausruhen kann. Weil ich, anders als z.B. mein bei einem großen Industrieunternehmen fest angestellter Schwiegervater, in den nächsten 25 Jahren nicht immer den gleichen Job haben werde. Die „brillanten“ Finanztipps von Verwandten oder Bekannten funktionieren deshalb für mich nicht.
Damit ich nicht zum Opfer einer falschen Beratung oder meiner Unwissenheit werde, muss ich mich fortlaufend weiterbilden, wie unter anderem dieses Jahr mit dem Crypto Workshop oder dem Money Mindset Coaching bei Julia Lakaemper, die sagt: „Mindset-Arbeit ist wie Sport – wir müssen immer wieder in eine neue Rolle hineinwachsen: Die braucht neue Überzeugungen. Das gilt besonders für Selbstständige und Gründer*innen, die nicht nur ihre Meilensteine erreichen wollen, sondern lernen müssen, eine Firma und ein Team zu führen, um den Shift zur erfolgreichen Unternehmerin zu schaffen.“
Vor ein paar Wochen schrieb ich allen meinen Auftraggeberinnen eine E-Mail und erhöhte meine Preise. Und wisst ihr, was passiert ist? Bis auf eine sagten alle „Okay.“ Ka-ching!
Foto Julia Lakaemper: Studio Afraz