Henriette bekam als Teenager von ihrem Vater folgendes Angebot: für jede selbst verdiente Mark wollte er eine Mark drauflegen. Stattdessen sollte es kein Taschengeld, keine Unterstützung zum Führerschein oder Geld für Anziehsachen und Schulmaterialien geben. Sie nahm den Deal an. Das war ihr Einstieg ins Thema Finanzen. Seitdem hat die 41-jährige Dieckhoff, getrennt erziehende Mutter einer Vierjährigen und gelernte Grafikdesignerin, sich autodidaktisch weitergebildet, unter anderem indem sie Webinare belegte, Fachliteratur studierte und selbst aktiv an der Börse und in Immobilien investierte – mit Erfolg.
„Eine meiner Errungenschaften durch Investments ist, dass ich jedes Jahr einen tollen Urlaub mit meiner Tochter von einem Teil meiner jährlichen Dividenden bezahlen kann – ein Jahresbonus, für den ich quasi nichts machen musste, außer Wissen aufbauen und mein Geld anlegen.“ Dieses Wissen gibt sie inzwischen in Finanzcoachings weiter – speziell für Eltern, die wie sie ihren Kindern einen guten Umgang mit Geld vorleben und für deren finanzielle Zukunft vorsorgen wollen. Warum das so wichtig ist? Früher waren eine Ausbildung und ein Job genug, um durchs Leben zu kommen. Das heutige Informationszeitalter, der demographische Wandel und die damit verbundenen geringeren Renten verändern dies. Ein vernünftiges "Money Mindset" ist aber nicht nur für Eltern wichtig, sondern für alle, die den Wunsch haben, ihr Geld zu vermehren statt Monat für Monat durchrauschen zu sehen.
Wie fängt man an, Frau Dieckhoff?
Mit 25 Euro im Monat ist es bei einigen Banken schon möglich, monatlich an der Börse mit Hilfe eines Sparplans zu investieren.
Was mache ich am besten mit meinem Gesparten?
Auf dem Sparbuch oder Tagesgeldkonto gibt es kaum noch Zinsen. Will man selbst an der Börse in einzelne Unternehmen investieren, muss man erstmal Zeit aufbringen, um sich „reinzunerden“. Ich sehe ETFs (Exchange Traded Funds) als gute Möglichkeit, um mit dem Investieren an der Börse zu beginnen. ETFs sind börsengehandelte Fonds, die einen Index, wie beispielsweise den DAX wiederspiegeln. Steigt der Dax, macht man Gewinne. Sinkt er, macht man Verluste. Sie sind vergleichsweise günstiger als aktiv gemanagte Fonds. Wir reden von 0,3 Prozent Kosten im Vergleich zu oft bis zu drei Prozent. Das hört sich erstmal wenig an, aber wenn man das über Jahre macht, ist das eine ganz schöne Stange Geld an Mehrkosten.
Also ETFs. Wo finde ich die?
Ich würde dazu raten, sich für einen Online-Broker zu entscheiden. Direktbanken wie ComDirect, OnVista oder Consorsbank bieten diesen Brokerservice grundsätzlich an. Auf
Webseiten wie zB justETF kann man alle möglichen Kriterien eingeben – Ich möchte weltweit investieren, ich möchte nachhaltig anlegen, ich möchte thesaurierende ETFs, bei denen die Dividende direkt wieder ins Fondsvermögen eingezahlt wird – und im Direktvergleich auswählen.
Es gibt auch die Möglichkeit, sein Geld von Robo-Advisors, digitalen Anlagehelfern wie Quirion oder Scalable Capital, investieren zu lassen. Die nehmen viel Arbeit ab, dieser Service kostet allerdings. Es ist aber durchaus möglich, sich in das Thema selbst einzuarbeiten (u.a. mit meinem Coaching) und die Kosten zu sparen. Das ganze kann sogar zu neuem Selbstbewusstsein und Spaß an dem Thema führen!
Welche ETF-Strategie empfehlen Sie?
- Breit aufstellen: Man sollte auf eine hohe Diversifikation achten, also nicht nur in beispielsweise deutsche Aktien investieren, was viele machen, weil sie denken, den Markt hier besser einschätzen zu können. Wichtig ist, weltweit zu investieren. Geht es z.B. der Wirtschaft in Europa gerade nicht so gut, hat man auch amerikanische Aktien im Portfolio, die in dem Fall sinkende europäische Kurse wieder ausgleichen, und umgekehrt. Deswegen empfehle ich Einsteigern erst einmal einen ETF, der weltweit in die Industrieländer investiert. Hier sollte man auf die Fondgröße und die TER (Total Expense Ratio, ein Prozentsatz, der die jährlichen laufenden Kosten eines ETF angibt) achten.
- Thesaurierende Fonds: Ein nächster wichtiger Punkt, wenn es um das Ansparen geht, ist, dass der ETF thesaurierend ist. Denn wenn die Dividenden automatisch wieder angelegt werden, kommt es zum Zinseszinseffekt.
- Meine Tipps:
Was habe ich später konkret davon, wenn ich jetzt anfange, mein Geld anzulegen?
Nehmen wir mal 50 Euro als Rechenbeispiel dafür, wie der Zinseszins funktioniert – also die Zinsen, die Anleger auf Zinsen erhalten und die beim Reinvestment das Kapital exponentiell wachsen lassen, statt linear wie bei einem Sparbuch:
- Nach zehn Jahren hat man 6.000 Euro eingezahlt und bekommt dafür 1.751 Euro Zinsen, wenn man von einem wissenschaftlich berechneten Prozentsatz von 5 Prozent Nettorendite im Jahr ausgeht.
- Nach 20 Jahren: 12.000 Euro einbezahlt. Zinseszins: 8.375 Euro
- Nach 30 Jahren: 18.000 Euro einbezahlt. Zinseszins: 22.597 Euro
- Nach 50 Jahren: 30.000 Euro einbezahlt. Zinseszins: Fast 90.000 Euro. 50 Jahre klingen lang, aber wenn man den Kindern den ETF irgendwann überträgt und sie weiter sparen, lohnt es sich richtig, da die Zeitspanne bei der Zinsansammlung enorm wichtig ist.
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Und wenn die Kinder beschließen, das bis dahin angesparte Geld mit 18 aus Trotz, Unvernunft oder Kühnheit einfach auf den Kopp hauen?
Erwachsene Kinder sind erwachsene Menschen mit Eigenverantwortung. Ich möchte erreichen, dass Eltern einen besseren Umgang mit Geld lernen und ihren Kindern vorleben. Sie sollen ihnen das Wissen über Sparsamkeit und Vermögensaufbau weitergeben, ohne sich groß einzuschränken. Beim Investieren für ein Kind gibt es zwei Möglichkeiten:
- Man kann es auf den eigenen Namen anlegen, sprich im eigenen Depot. Dann kann man im Grunde selber entscheiden, wann und wie das Kind das Geld bekommt. Nachteil: der eigene Freibetrag von 801 Euro wird mit in Anspruch genommen. Hat man mehr Gewinne durch Aktien als dieser Freibetrag, muss man 25 Prozent Kapitalertragssteuer von den Gewinnen abtreten.
- Ein Depot auf den Namen des Kindes einrichten, dann kann man auch hier einen Freibetrag von 801 Euro nutzen. Gesetzlich ist es so das Geld des Kindes. Man kann nicht einfach ran und es nach einer gewissen Ansparzeit selbst nutzen, da die Behörden hier dann von einem Scheingeschäft ausgehen.
Hier eine kleine Checkliste für ein Juniordepot:
- das Juniordepot sollte keine Gebühren kosten
- breit gestreute, thesaurierende ETFs auswählen (siehe ETF-Strategie)
- ETF-Sparplan einrichten
- Freibetrag und ggf. Nichtveranlagungsbescheinigung hinterlegen (mit einer NV-Bescheinigung kann man höhere Kapitalerträge als 801 Euro haben und muss trotzdem keine Steuern bezahlen)
- Großeltern, Tanten und Onkel die IBAN des Verrechnungskontos mitteilen
Und hier noch zwei gute Wege, Kinder früh an Geld heranzuführen:
- Ein Kinderkonto, das viele Banken im Angebot haben und das höher verzinst ist. Die sind gedeckelt bis 500 oder 1000 Euro – eine Art erweiterte Spardose. Die meisten Kinder finden es ja toll, wenn sie ihr Geld, das ihnen die Oma mal zusteckt, auf die Bank tragen können und dann den Betrag in einem Büchlein sehen.
- Wenn 500 Euro zusammengespart sind oder es zum Beispiel Geld zu einem besonderen Anlass gab, kann man probieren, die Kinder für die Börse zu interessieren. „Du liebst Disneyfilme, dann kaufen wir ein paar Disneyaktien“. Mag verrückt klingen, aber warum es nicht auf diesen Weg versuchen? Natürlich sollte das Investment vorerst auf Risiko und Rentabilität überprüft werden. Für unsere Kinder muss es selbstverständlich werden, dass sie finanzielle Eigenverantwortung übernehmen müssen, da der demographische Wandel die Renten immer kleiner werden lässt. Hier stehen Privatanlegern für den Vermögensaufbau im Grunde nur Aktien und Immobilien zur Wahl.
Was, wenn ich als Berufsanfänger anfangen will oder nur ein geringes Einkommen zur Verfügung habe?
Dann lohnt es sich trotzdem. Mein Tipps:
- Mindestens zehn Prozent vom Nettogehalt investieren.
- Zahle diese immer zuerst per Dauerauftrag, genau wie deine Miete oder andere Kosten am Monatsanfang, dann wird es zur Gewohnheit.
- Die Sparrate bei jeder Gehaltserhöhung anpassen.
Was, wenn mir Nachhaltigkeit wichtig ist?
Eine Art Gütesiegel gibt es leider nicht, aber ein Kriterium, nach dem man sich richten kann: ESG – steht für Environment, Social and Governance, da schneiden also Unternehmen gut ab, die sich um Umwelt, Soziales und Unternehmensführung kümmern. Bei den Fonds, die nach ESG-Kriterien gebildet werden, werden automatisch Investitionen in beispielsweise Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Waffen, Atomkraft, Pornografie und Gentechnik ausgeschlossen. Da nachhaltige Fonds noch ein neues Feld sind und es nicht viele Erfahrungen damit gibt, halte ich mich an die Empfehlungen von den Experten von Finanztip:
- MSCI World Socially Responsible Index (SRI): Der Index bündelt die gut 400 Unternehmen aus den Industrieländern der Welt, die das höchste ESG-Ranking aufweisen
- Dow Jones Sustainability Index World Enlarged: Er bündelt die knapp 600 nachhaltigsten Unternehmen der Welt inklusive Schwellenländer.
- iShares ETF: Dieser investiert vor allem in nachhaltige Unternehmen aus Schwellenländern
Na dann: Los geht`s!
Mehr über Henriette Dieckhoff und ihr Finanzcoaching, das sie verschieden umfangreich anbietet, gibt es
auf ihrer Webseite.
Wer sich neben ETFs dafür interessiert, wie nachhaltig die Hausbank arbeitet, sollte den
Fair Finance Guide lesen.
Nachhaltiges Mobile Banking gibt es z.B. von
Tomorrow.