Elternsein & Geburt
Neu denken
Wie klappt es, während der Elternzeit Gleichberechtigung zu leben? Feministin Teresa Bücker erklärt`s.
von Lisa Harmann Katharina Nachtsheim - 27.10.2020
Liebe Teresa, die meisten Frauen rutschen aus einem selbstbestimmten und unabhängigen Leben hinein in die Mutterschaft und wundern sich plötzlich, in was für ein Ungleichgewicht sie geraten sind. Meist beginnt das bereits mit der Aufteilung der Elternzeit. Noch immer verbringen Frauen im ersten Jahr faktisch mehr Zeit mit den Kindern. Oft ist das Argument: „Der Mann verdient halt mehr“.
Bei der Elternzeit finde ich es viel zu einfach, die Entscheidung vor allem am Geld zu orientieren. Gleichberechtigung ist oft unbequem und verlangt uns ab, uns aktiv und auch längerfristig damit auseinanderzusetzen. Viele Paare entscheiden sich zum Beispiel für einen Hausbau oder einen Autokauf und planen die Finanzierung vorab. Warum geht das nicht bei der Elternzeit? Viele Kinder sind Wunschkinder, und es kann schon mal ein oder sogar mehrere Jahre dauern, bis das Baby da ist. Es wäre also möglich, zum Beispiel für die Elternzeit Geld zurückzulegen, um sie besser aufteilen zu können. Mein Freund und ich haben es gerade so gemacht. Ihm war wichtig, lange Elternzeit zu nehmen, und er hat bewusst darauf gespart. Ich würde hier also mal die Verantwortung an die Männer geben und ihnen sagen: Wenn ihr gleichberechtigt Elternzeit machen wollt, dann findet ihr einen Weg.
Was braucht es noch?
Gleichzeitig braucht es auch politische Veränderungen. Ich fände eine bezahlte Freistellung ab Geburt analog des Mutterschutzes für PartnerInnen gut. Denn Elternzeit scheitert für Menschen mit wenig Einkommen eben wirklich häufig am Geld. Bekommen aber alle Väter für acht Wochen ihr Gehalt weiter, würde das viel verändern. Zudem wüssten alle Arbeitgeber: Wenn ich einen Mann einstelle und er Vater wird, ist er auf jeden Fall acht Wochen lang weg. Erste Studien haben zudem belegt, dass es langfristig Rollenmodelle verändert, wenn Väter Elternzeit nehmen, und sie sich von da an die Care-Arbeit mit der Mutter gleichberechtigter aufteilen.

„Von daher ist es wirklich eine geniale Idee, dass alle Väter ab der Geburt mindestens acht Wochen lang zu Hause bleiben.“ -

Das würde den Fortschritt der Gleichberechtigung endlich mal wirksam beschleunigen.
Klar, denn wenn Mama in der ersten Zeit mehr beim Kind ist, will sich der Nachwuchs vielleicht auch danach nur noch von ihr ins Bett bringen lassen, lässt sich nach Verletzungen lieber von Mama trösten. Schon geraten selbst dann wieder Vollzeit arbeitende Mütter in einen emotionalen Konflikt.
Loslassen ist auch etwas, das man lernen muss. Ich glaube zwar nicht an das Phänomen „Maternal Gatekeeping“, aber sich die Sorgearbeit für Kinder gleichberechtigt zu teilen erfordert auch von Frauen, sich ihre freie Zeit bewusst zu nehmen und den Papa einfach machen zu lassen. Wir alle haben eben bestimmte Geschlechterstereotype verinnerlicht, und es ist nicht leicht, davon Abstand zu nehmen. Es ist zudem völlig in Ordnung, dass Eltern nicht alles gleich machen und das andere Elternteil mit den Kindern anders umgeht oder auch eigene Rituale hat. Ich würde sogar sagen: Es ist wichtig für Kinder, diese Unterschiede zu merken.
Wir hören so viel von Mütter-Überlastung, weil sie eben neben all den Gefühlsbaustellen nicht nur für das Kind, sondern auch für den Arbeitgeber super performen wollen UND dabei noch die Geburtsdaten der Schwiegereltern, die Kitafeste und Sportveranstaltungen managen. Wie können wir dem entgegenwirken?
Um Überlastungen abzubauen, muss man sich erst einmal eingestehen, dass sie da ist. Einen Vollzeitjob, die Rolle als Mutter, Partnerin und Tochter perfekt zu machen überfordert jede Frau. Es liegt also nicht an uns, dass wir diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Es ist wichtig, sich politisch dafür einzusetzen, dass wir zum Beispiel anders arbeiten und es möglich ist, genügend Geld zu verdienen oder auch Karriere zu machen, wenn man nicht 40 Stunden arbeitet. Die Stunden am Tag sind nun einmal endlich. Zudem sollte wirklich jeder wissen: Es geht den meisten Müttern so. Sprecht mit anderen darüber, tauscht euch über Lösungen aus.

„Und entfolgt allen auf Instagram, die so tun, als sei ihr Leben perfekt und die Wohnung würde sich von selbst aufräumen.“ -

Auch das nimmt Druck weg. Gerade in der digitalen Selbstdarstellung wird nämlich oft unterschlagen, dass dieses perfekte Leben ohne Nanny, Putzkraft und ganz viel Hilfe im Hintergrund nicht möglich wäre.
Du bist sechs Monate nach der Geburt deines ersten Kindes wieder Vollzeit in den Beruf eingestiegen. In welchem Gefühlslevel befandst du dich da, und würdest du das heute wieder so machen?
Meine Rückkehr in den Beruf war ambivalent: Mir hat die Arbeit sehr gefehlt, aber ich war eben auch verliebt in mein Baby und immer noch unterschlafen. Mein Partner und ich haben beide in Führungspositionen Vollzeit gearbeitet mit einem sechs Monate alten Baby… schlechte Idee! Das ist ganz schön an die Substanz gegangen, gesundheitlich und seelisch. Zudem habe ich noch voll gestillt und war mehrmals die Nacht wach und habe für die Kita abgepumpt. Ich gehe mittlerweile offen damit um, dass das zu viel war, und rate Freundinnen davon ab, es genauso zu machen. Ich würde heute mit weniger Stunden wieder einsteigen und mir einen Partner wünschen, der entweder dann selbst in Elternzeit ist oder auch weniger arbeitet. Aber es würde mir immer so gehen, dass ich nach ein paar Monaten mehr will, als nur das Baby herumzutragen. Das ist völlig okay. Denn nur, weil wir Mütter werden, interessieren wir uns ja nicht mehr nicht für die Welt. Auch Mütter brauchen gute Gespräche mit Erwachsenen und intellektuelle Herausforderungen.
Was war die wichtigste Lektion, die du als berufstätige Mutter aus rein feministischer Sicht gelernt hast?
Man kann Mutterschaft und Berufstätigkeit nur vereinbaren, wenn es ein Umfeld gibt, für das genau das selbstverständlich ist. Das heißt: Das Unternehmen, Auftraggeber oder Business- Partner und der Partner oder die Partnerin müssen mittragen, dass die Elternrolle und die berufliche Rolle miteinander vereinbar sein müssen. Die meisten Frauen können sich die Arbeitgeber natürlich nicht aussuchen, und es ist großes Glück, wenn das Unternehmen familienfreundlich ist. Daher ist die feministische Lektion: Wir müssen uns dafür einsetzen, dass jeder Job familienfreundlich wird. Und das bedeutet vor allen Dingen, dass wir neu definieren, was ein Vollzeitjob ist, und Care-Arbeit endlich Anerkennung findet.
Diesen und noch weitere tolle Texte findet ihr in dem neuen Buch „Wow Mom – der Mama-Mutmacher für mehr Ich in all dem Wir“ von den Autorinnen Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim, das gestern erschienen ist. Mit dabei sind u. a. Gastbeiträge von Ildikó von Kürthy, Jasmin Gerat, Laura Karasek, Stefanie Stahl und viele mehr. Wer mehr über die Journalistin, Feministin und Zweifach-Mama Teresa Bücker erfahren will, findet sie hier auf Instagram oder auf ihrer Website.
Foto – Jasmin Schreiber

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