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Manchmal braucht es nur ein bisschen Trickserei, um uns Frauen mit den verinnerlichten Rollenbildern zu konfrontieren, von denen wir glauben, wir hätten sie längst hinter uns gelassen. Das jedenfalls muss sich ein neuer deutscher Twitter-Account gedacht haben, als er sich den Namen
Das bisschen Arbeit gab, und vor zwei Wochen begann fröhlich mehrmals täglich zu posten. Basierend auf dem englischen Original, dem ich schon viele Monate folge, und das sich
Man who has it all nennt, werden hier Aussagen, Perspektiven und Vorstellungen, die man normalerweise immer nur einem Geschlecht zuordnet, auf das andere Geschlecht übertragen. Und das geht so:
„Es braucht ein Dorf, {um Kinder zu erziehen}! Deswegen hat mein Schwiegervater vorgekocht, mein Bruder hat eingekauft, der Kindermann hat auf die großen Geschwister aufgepasst, der Putzmann gebügelt und ich habe nach der Arbeit Blumen mitgebracht.“
Entweder schluckt man kräftig, weil peinlich berührt, oder man lacht laut los und nickt verständig.
Das kommt ein bisschen auf die eigene Reflexionsfähigkeit an. Denn, ob man will oder nicht, in den stündlich neu reinfliegenden Tweets, kann sich jede Frau wiederfinden. Selbst ich. Dabei wuchs ich mit zwei arbeitenden Großmüttern und einer arbeitenden Mutter auf. Alle in Vollzeit versteht sich. Und so emanzipiert und prägend diese Frauen in meinem Leben gewesen sind, so erinnere ich mich sehr wohl daran, wer die Einkaufstüten schleppte, das Klo sauber machte und die Geburtstagsgeschenke für die Schwiegereltern besorgte.
Genau: Die Frauen, nicht die Männer.
Jedes zweite Wochenende, meine Eltern waren geschieden, verbrachte ich bei meinem Vater. Und wenn ich von der Schule in seine Wohnung kam, machte ich erstmal sein Badzimmer sauber. Ich schrubbte die Wanne, die Toilette und das Waschbecken bis alles glänzte.
I mean, Leute, das muss man sich mal vorstellen! Da war ich neun Jahre alt und hatte die Rolle, die mir das seit Jahrtausenden existierende Patriarchat auferlegt hatte, willig und ohne Aufbegehren angenommen.
Guten Morgen! Auf in eine produktive Woche. Was haben euch eure Männer in die Lunchbox gelegt? Ich befürchte, bei mir gibt es heute Reste von gestern.
Nichts von dem, was der Account postet, soll ja explizit lustig sein. Der Witz entsteht einzig und allein durch die sprachliche Umkehrung.
Vor ein paar Tagen repostete Das bisschen Arbeit eine Frage, die im Original eine Frau in der Mütter-Community „Echte Mamas“ gestellt hatte:
„Aus der Community "Echte Papas": Wieviel Zeit verbringen eure Frauen mit den Kindern? Kann ich von meiner Frau, die von Mo-Sa arbeitet und eigentlich eine tolle und liebevolle Mama ist, erwarten, dass sie am Sonntag nicht immer unterwegs oder in ihrem Hobbykeller ist?“
Wer sich den Original-Post und die Antworten anschaut, begreift, dass wir weit davon entfernt sind, den Endgegner zu bekämpfen.
„Nein, wir befinden uns noch immer in feministischen Kinderschuhen.“ -
Denn solange eine Frau, deren Mann nie zuhause ist und sich sogar am Wochenende weigert, Zeit mit den Kindern zu verbringen solche Ratschläge erhält, „Sei du auch bereit nachzugeben. Sag ihm eine Woche Hobby, die nächste Familienzeit. Mit einem freien Tag ist es schwierig, ich weiß. Mein Mann arbeitet auch so viel. Wenn er morgens aufsteht macht er mit dem Kurzen einen Kaffee, spielt ein bisschen mit ihm, dann ab zur Arbeit. Am Abend schläft er dann schon, wenn Papa heimkommt“, braucht es Accounts, die uns täglich die existierende Ungerechtigkeit vor Augen führen.
Guten Morgen! Wir wünschen allen einen erfolgreichen Tag, sei es als Businessfrau auf Meetings oder als Hausmann mit den Kindern. Jetzt wo es doch schon so früh warm wird: Kinder auch mal vor die Tür bringen, liebe Väter. Davon haben alle etwas!
Beim Folgen von Das bisschen Arbeit erwischt man sich immer wieder selbst dabei, dass die sprachliche Umkehrung zu Unwohlsein führt. Da stimmt was nicht, das ist ungerecht, diffamierend, sexistisch, entwertend. Jedenfalls, wenn über Männer geschrieben wird, wie sonst nur über Frauen. Dass sie ihre Emotionen nicht in den Griff bekommen, für Kinder und Haushalt geboren wurden, sich pflegen müssen, um gut auszusehen. Es ist, als hätten wir die entwürdigende Sprache, die benutzt wird um uns und unser Leben zu beschreiben, längst als Normalität angenommen. Aber das ist sie eben nicht.
„Die Art und Weise wie das Weibliche konnotiert wird, ist nicht normal.“ -
Es ist auch nicht normal davon zu sprechen, dass Männer im Haushalt helfen und auf die Kinder aufpassen. Wenn doch dieser Haushalt zu 50% ihnen gehört und sie nicht der Babysitter, sondern der Vater sind.
Samstagmittag twitterte Das bisschen Arbeit: „Ein schönes Wochenende und dickes Lob an alle Mütter, die gestern Abend auf die Kinder aufgepasst haben, damit die Väter mal raus konnten. Wenn die Bude noch steht und niemand zur Notärztin musste: super Leistung. Zur Belohnung habt ihr sicher bis jetzt ausgeschlafen.“
Der Tweet erhielt 379 Likes und wurde 15 Mal geteilt. Ich musste ziemlich lachen. Auch jetzt muss ich es noch. Ein bisschen gequält ist dieses Lachen, ein bisschen erschöpft auch, aber trotzdem zuversichtlich, dass wir mit der Hilfe solch einfacher Mittel der Gleichberechtigung Stück für Stück näherkommen werden.
Foto: Shai Levy