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Seit der Geburt meiner Tochter vor drei Jahren arbeite ich ausschließlich im Homeoffice. Erst in unserer Wohnung in Berlin am Esstisch, nach dem Umzug in unser
Haus in Brandenburg in einem eigenen Arbeitszimmer. Diese 25 Quadratmeter unterm Dach gehören nur mir. Ich sehe sie als Luxus, aber auch als Notwendigkeit.
Nach 20 Jahren Berufserfahrung und einem Bestseller habe ich mich mit einem eigenen Arbeitszimmer quasi selbst auf die Chef*innen-Etage aufsteigen lassen. Zu Recht, wie ich finde: Ich bin finanziell komplett unabhängig und bestreite aus diesem Homeoffice meinen gesamten Lebensunterhalt. Aus diesem Grund nehme ich diesen Raum und die Einhaltung seiner Regeln ernst.
Ich brauche Ordnung und Ruhe, damit ich meine Gedanken aufschreiben, einen Sachverhalt verstehen oder ein Interview führen kann. Vor allem jetzt, da ich parallel an einem neuen Buch arbeite und dieses Jahr emotional so viel aufgewirbelt hat. Früher stand hier noch ein Sofa und Sofatisch, aber das führte dazu, dass mein Mann und meine Tochter ständig bei mir abhingen. Das geht aber nicht. Ich sitze ja auch nicht bei meinem Mann im Restaurant auf dem Tresen und lese Zeitung.
Ich verbringe fünf bis acht Stunden täglich in meinem Homeoffice – deshalb muss ich mich wohlfühlen und mein Blick wandern können, wenn ich eine Schreibblockade habe. Mein Homeoffice ist keine lieblose Kammer mit Wäscheständer und Aktenordnern im Hintergrund, sondern war von Anfang an top ausgestattet mit Eiermann-Architektentisch, Eames Chair, Eichenholzschränken, dekorativen Bildern und vielen Büchern. Wenn mir zwischendurch die Kappe wegfliegt, mache ich Yoga – der Ausgleich erhält meine Arbeitskraft, also darf auch mein Sport hier stattfinden.
Früher wurde ich von vielen beneidet, dass ich zuhause arbeite. Das sei doch so gemütlich und entspannt, sagten meine Freund*innen. Die ganze Zeit im Jogger auf dem Sofa – herrlich! Tatsächlich brauche ich im Homeoffice mehr Struktur und Disziplin als Angestellte in einem Büro.
Ansonsten verdödele ich den ganzen Tag mit Hausarbeit, Instagram oder der Suche nach etwas Essbarem. Mein Tag beginnt gleich früh um acht. Und zwar richtig angezogen, so als würde ich in ein echtes Büro gehen. Vorher bringe ich meine Tochter in die Kita, dann mache ich mir einen Kaffee, frühstücke eine Kleinigkeit und fange an zu arbeiten. Ich arbeite gerne mit der Bulletpoint-Methode und setze mir sowohl Tages- als auch Wochenziele. Mein Erfolgstrick: Pro Tag setze ich mir ein wirklich wichtiges To-do und trage maximal einen Termin ein – sonst bin ich schnell überfordert und frustriert.
„Bei mir gilt die Regel „Eat the frog first“.“ -
Das, was mich am meisten nervt, mache ich morgens gleich als Erstes, damit es mich nicht den ganzen Tag stresst. Wenn ich eine Deadline einhalten muss, schalte ich für mehrere Stunden „Freedom“ ein. Das ist ein Computerprogramm, das mich auf allen Geräten vom Internet kappt und Deep Work ohne Ablenkung ermöglicht.
Auch wenn mir die Meetingkultur in Redaktionen mit dem Chefredakteur am Kopf des Tisches früher wahnsinnig auf den Senkel gegangen ist, vermisse ich im Homeoffice den Austausch mit anderen. Vor Corona habe ich alle zwei Wochen in einem Co-Working-Space in Berlin gearbeitet. Jetzt gibt es Tage, an denen ich nur mit meiner Tochter und der Briefträgerin spreche. Als kreativer Mensch merke ich, wie wichtig Input ist.
„Manchmal sage ich zu meinem Büro auch „Schreibknast“.“ -
Wie in einem normalen Büro gibt es eben auch im Homeoffice gute und schlechte Tage. Ich musste lernen mir zu vergeben – selbst wenn ich keinen Text hinbekomme, schaffe ich letztendlich doch eine ganze Menge. Wenn’s mit dem Schreiben nicht läuft, dann kümmere ich mich um das Organisatorische. Als Selbstständige muss ich meine Kommunikation und Buchhaltung selbst machen. Auch das ist Arbeit.
Mühsam abgewöhnen muss ich mir, vor dem Computer zu essen, und mir nicht nur eine Mittagspause mit einer vollwertigen Mahlzeit, sondern auch regelmäßig Bewegung gönnen. Sonst hänge ich nonstop vor dem Rechner, snacke den ganzen Tag Süßes und habe abends dicke Füße.
Was mich nervt, ist die Erwartung von manchen Auftraggeber*innen, dass ich im Homeoffice 24/7 erreichbar sein soll. Die Trennung zwischen Arbeit und Privatsphäre ist für mich die größte Herausforderung. „Life-Domain-Balance“ heißt das. Wenn man nicht aufpasst, kann man auch im Homeoffice in ein Burnout schlittern. Deswegen gibt’s bei mir keine Nachtschichten. Wenn ich abends auf meinem Schreibtisch das Licht ausmache, dann ist Feierabend. Dann bin ich wirklich „raus“. So wie aus einem echten Büro.