Job & Finanzen
Jetzt komm ich!
Warum wir unsere Handtasche niemals mit ins Meeting nehmen sollten. Und welche Pose wirklich Wunder wirkt.
von Alexa von Heyden - 01.12.2019
Wenn ich die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekomme, denke ich nie darüber nach, was ich Schlaues sagen oder welche Arbeitsproben ich präsentieren könnte, um mein Gegenüber davon zu überzeugen, mich einzustellen. Ich denke immer nur: "Himmel hilf", was ziehe ich bloß an?!" Ich arbeite in der Modebranche. Da ist vieles oberflächlich. Aber trotzdem gilt auch in anderen Branchen: Der erste Eindruck zählt. Nicht unsere Zeugnisse und Arbeitsproben, sondern die ersten Sekunden nach dem Kennenlernen entscheiden darüber, ob uns jemand mag und wir den Job bekommen.
So gab es Tage in meinem Leben, an denen ich der festen Überzeugung war, dass ich mit einer ganz bestimmten Handtasche über der Schulter für solche Momente besser gewappnet sei, als mit meinem sportlichen Nylon-Rucksack, den ich sonst immer dabei habe. Denn wenn ich eine Frau mit einer Designer-Handtasche auf der Straße sehe, denke ich jedes Mal: "Respekt Schwester, du hast es geschafft."
Deshalb war ich ziemlich überrascht, als ich las, dass wir mit einer Handtasche den ersten Eindruck auch total versauen können. Ob die Tasche von Chanel oder H&M stammt, ist dabei übrigens egal. Es geht darum, was wir mit der Tasche machen. "Wir Frauen bringen unsere Taschen mit in ein Meeting und verbringen die ersten drei Sekunden damit sie auf den Tisch zu stellen und darin herum zu wühlen", erklärt Anna Ostergren, eine Expertin für Körpersprache in einem Interview mit der Plattform femaleonezero.com.

„Durch dieses Ablenkungsmanöver vergeben wir die Chance, einen souveränen Eindruck zu machen.“ -

Gleich in den ersten drei Sekunden, von denen es heißt, es seien die wichtigsten. Das Phänomen nennt Anna Ostergren "Bag Faff". Ich hatte davon noch nie etwas zuvor gehört. Auf Englisch bedeutet to faff around so viel wie "Zeit vertrödeln".
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Aus Verlegenheit in der Tasche wühlen – das ist quasi mein zweiter Vorname. Schon in der Schule habe ich es dauernd gemacht und ich tue es noch heute in der U-Bahn, beim Arzt, an der Supermarktkasse oder auf Events, wenn ich niemanden kenne und keiner mit mir redet. Nicht auszudenken, welche Karrierechancen mir entgangen sind, weil ich Pfefferminzbonbons gesucht oder zum 77. Mal gecheckt habe, ob mein Handy auf lautlos gestellt ist. "Wenn du zu einem wichtigen Termin gehst, dann nimm`alles, was du brauchst mit, aber lass`deine Handtasche am Empfang", rät Anna Ostergren.
"Eine Handtasche sollte unsere Persönlichkeit unterstreichen, aber wir dürfen uns nicht davon abhängig machen", findet auch Lea Vogel, Life und Business Coach aus Berlin. Denn was statt der vermeintlich richtigen Handtasche viel wichtiger ist, ist unsere Haltung: "Wir Frauen neigen dazu uns klein zu machen, indem wir die Schultern hängen lassen, unsere Arme vor der Brust verschränken und die Beine übereinanderschlagen. Eine klare Körperhaltung aber hilft uns präsenter im Raum zu sein. Alles andere wird dann nebensächlich", weiß die 33-Jährige.
Offen gestanden war ich noch nie eine Rampensau. Schon in der Schule saß ich am liebsten in der letzten Reihe und war froh, wenn ich innerhalb des Unterrichts nicht an die Reihe kam. Vor der Tafel ein Referat zu halten oder Gedicht aufzusagen, war für mich das Schlimmste. Sämtliche Tricks in Sachen Körpersprache oder Atemtechniken wie "Tief durch die Nase ein, lang durch den Mund aus" vergesse ich aufgrund meines Lampenfiebers immer. Ich habe mir auch noch nie jemanden nackt auf dem Klo vorgestellt. Aber was kann ich tun, damit ich als erwachsene Frau trotz Stress und Hektik gut rüberkomme? Lea Vogel weiß Rat.

„"Selbstbewusstsein erlangen wir durch Power-Posing"“ -

sagt sie. Aha, denke ich. Wieder so ein Coaching-Tipp.
Die Expertin lacht und empfiehlt mir den Ted Talk von Amy Cuddy anzuschauen. Die These der amerikanischen Sozialpsychologin: Schon allein nur durch das Einnehmen einer Macht-Pose wächst unser Selbstbewusstsein – und kann somit tatsächlichen Einfluss auf unseren Erfolg haben. Unsere Körpersprache beeinflusst demnach nicht nur, wie andere uns beurteilen, sondern funktioniert wie ein motivierendes Selbstgespräch.
https://www.ted.com/talks/amy_cuddy_your_body_language_shapes_who_you_are?language=de#t-1232951
Unsere Gedanken haben also nicht nur Einfluss auf unsere Ausstrahlung. Es funktioniert auch andersrum: Unser Körper ist in der Lage unser Bewusstsein zu verändern. "Wenn wir uns groß und mächtig machen, schüttet unser Gehirn spezielle Botenstoffe aus", erklärt Lea Vogel. Wie funktioniert das? Macht-Posen, z.B. sich breitbeinig hinstellen, die Füße auf den Tisch legen oder wie Simone Biles nach einem gestandenen Doppelsalto die Arme hochzureißen, sorgen für die Ausschüttung von Testosteron, dem Dominanz-Hormon. Wenig-Macht-Posen wie die Beine übereinanderschlagen oder Arme vor die Brust verschränken lassen den Kortisol-Spiegel dagegen ansteigen. Das Stresshormon ist verantwortlich dafür, dass wir nervös werden und unsicher sind.
Tipp von Lea Vogel, kurz bevor es zur Sache geht: "Die Wonder Woman-Pose: Vor einem wichtigen Meeting auf die Toilette oder ein Büro gehen. Zwei Minuten lang aufrecht und breitbeinig hinstellen und dabei die Hände in die Hüften stemmen." Diese zwei Minuten lang Power-Posing sind wichtig, denn es dauert 120 Sekunden, bis die Hormone vom Gehirn im Körper ankommen und wir uns tatsächlich stark fühlen.
Ich habe es ausprobiert und muss gestehen: Das mit den Macht-Posen funktioniert. Wonder Woman und ich treffen uns deshalb jetzt häufiger auf dem Klo. Auch wenn ich nicht jeden Tag ein wichtiges Meeting habe, es ist super sich mit dieser Übung zwischendurch selbst zu motivieren oder derart gewappnet in einer Großstadt die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Ich finde jetzt immer einen Sitzplatz.
Fotos – Aufmacher: Marlene Sörensen, Portrait Lea Vogel: Lydia Gorges

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