Job & Finanzen
Ach deshalb!
Ninia LaGrande freut der Quotenfrau-Erfolg. Sie hat aber noch eine Verbesserungsidee: weiße Kleidung.
von Ninia „LaGrande“ Binias - 03.12.2020
Diesen Text gibt es auch als Audio-Artikel. Zum Hören ans Ende des Artikels scrollen.
„Ich bin eine Quotenfrau!“ – so lautete die Titelgeschichte des Stern-Magazins vergangene Woche. Fast hätte ich gerufen: „Und das ist gut so!“, als ich sie am Kiosk sah. 40 bekannte Frauen wie Annegret Kramp-Karrenbauer, Louisa Dellert und Aminata Touré erzählen, warum sie eine Quotenfrau sind und – wichtig – warum der Begriff nicht das Problem ist. Cool, denke ich, 40 Frauen aus ganz verschiedenen Branchen und Hintergründen – was für fantastische Vorbilder. Wie großartig wäre es gewesen, wenn sie für das Shooting alle Weiß getragen hätten! Warum ich das so gut gefunden hätte? Tja, das ist so:
Vorweg – natürlich können die Frauen alle das tragen, was sie wollen. Meinetwegen verändern sie im Schlafanzug die Welt. Aber: Die Farbe Weiß hat eine ganz besondere, eine feministische Geschichte. Was wollen Kamala Harris, Alexandria Ocasio-Cortez, Annalena Baerbock, Hillary Clinton und all die anderen uns sagen, wenn sie im weißen Power Suit oder Kleid auftreten?
Im 19. Jahrhundert stand die Farbe Weiß für Unschuld, Keuschheit und Reinheit. Woher kennen wir das? Richtig – selbst heute ist das klassische Brautkleid noch weiß. Die Braut soll also rein und unschuldig daherkommen. Kleine Sidenote: Sie darf übrigens auch keine Armbanduhr tragen, weil sie zeitlos sein soll. Na, man gut, dass wir so manche Tradition inzwischen überwunden haben.
Zurück zur weißen Kleidung. Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Suffragetten – Frauenrechtlerinnen in den USA und in Großbritannien – für das Frauenwahlrecht zu kämpfen. Und sie wählten eine weiße Kleidung als ihre gemeinsame Uniform.

„Sie eigneten sich mit Absicht diese Farbe an, um deren Bedeutung zu drehen – aus dem Konservativen etwas Modernes zu machen.“ -

Außerdem, und das ist wirklich supersmart, fiel Weiß in den damals noch schwarz-weißen Zeitungen extrem auf. Alle Fotos der Suffragetten zogen also direkt die Blicke auf sich. Und so bekam Weiß ein feministisches Label. Besonders bei großen Auftritten:
Hillary Clinton erschien unter anderem zu Trumps Amtseinführung in Weiß – was für ein Symbol! Alexandria Ocasio-Cortez trug Weiß zu Trumps zweiter Rede zur Lage der Nation, die gesamte weibliche SPD-Fraktion im Bundestag ebenso zum 100. Jahrestag des Frauenwahlrechts in Deutschland. Wie übrigens 100 Jahre vor ihnen die ersten 37 weiblichen Politikerinnen im Parlament. Und zuletzt Kamala Harris bei ihrer Siegesrede in Wilmington und Annalena Baerbock während der Parteitagsrede der Grünen. Und so solidarisieren sie sich über alle Länder- und Parteigrenzen miteinander.
Denn das ist die grundsätzliche Erfahrung von feministischen Bewegungen – große Umbrüche schaffen wir nur zusammen. So auch geschehen bei der #ichwill-Kampagne: In einem zweiminütigen Video hatten erst im Oktober Schauspielerinnen, Aktivistinnen und Influencerinnen auf den Mangel von Frauen in Führungsetagen aufmerksam gemacht. Unter dem Hashtag berichteten zahlreiche Frauen von diskriminierenden Erfahrungen im Job aufgrund ihres Geschlechts. Mit der jetzt beschlossenen verpflichtenden Quote für börsennotierte Unternehmen, Krankenkassen, Sozialverbände, Versicherungen, die Arbeitsagentur und Unternehmen, in denen der Staat Einfluss nehmen kann, haben sie gewonnen. Natürlich liegt das nicht allein an einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne – der Druck stieg schon seit Jahren. Deutschland ist im Ländervergleich einfach hinterher, was die Gleichberechtigung in Machtpositionen angeht.
Wow, was für ein Erfolg! Spürt ihr ihn schon? Diesen Wind der Veränderung? Auch wenn 2020 für viele wirklich ein richtig anstrengendes Jahr war. Es sind auch ein paar gute Sachen passiert – gute feministische Fortschritte! Die Quote ist dabei hoffentlich nur einer der ersten Schritte. Denn wenn wir von Diversität und Gleichberechtigung sprechen, dürfen wir uns jetzt erst recht nicht ausruhen. Frauen in Spitzenpositionen sind nur der Anfang. Wo bleiben Schwarze Menschen, People of Color, Menschen mit Behinderungen, trans*-Personen und alle anderen, die aufgrund ihrer Merkmale bisher von Karriere und Machtpositionen ausgeschlossen waren? Ich freue mich auf weitere Veränderungen. Und darauf, für euch an dieser Stelle die Hintergründe zu erklären.
Ach so: Zwischen all den dunkel gekleideten Frauen in der Stern-Titelgeschichte stach eine dann zumindest am Ende mit einem kleinen Foto doch hervor: Ursula von der Leyen trug einen beigefarbenen Hosenanzug. Also fast so etwas wie Weiß. Wie hieß das noch in der Zahnpasta-Werbung? Dunkelweiß! Also fast so etwas wie feministisch? Na ja, ich will da mal nicht überinterpretieren – wer meine hannoversche Kollegin kennt, der weiß, dass sie gerne in diesen Farbtönen unterwegs ist. Und das ist auch gut so!
*NEU IM TEAM: Ninia LaGrande kommentiert ab jetzt regelmäßig hier ein Thema des aktuellen Zeitgeschehens. Beleuchtet einen Punkt, den wir in der Eile des Alltags eventuell übersehen, und vermittelt uns so ein bisschen Wissen to go. Wer gern noch mehr zu Ninia erfahren würde – ich habe sie dieses Jahr für meinen Endlich Om-Podcast interviewt und liebe ihre Art, wie sie über komplexe Sachverhalte so einfach sprechen und dabei stets ihren Humor behalten kann. 

Abo abschließen, um Artikel weiterzulesen

Endlich Ich - Abo

6,90€

Alle Artikel lesen, alle Podcasts hören

4 Wochen Laufzeit, monatlich kündbar
Digitaler Goodie-Bag mit exklusiven Rabatten
min. 2 Live-Kurse pro Woche (Pilates, Workouts, etc.)
Bereits Abonnent? Login