Ja, wie macht man das eigentlich mit so einer Weltreise mit Kindern und wann ist der richtige Zeitpunkt? Das haben wir uns davor auch oft gefragt.
Man sitzt irgendwann an einem grauen verregneten Tag in Berlin, im Hintergrund läuft zufällig Louis Armstrong „What a wonderful world“ und man fragt sich ganz plötzlich (mal wieder, nachdem wir schon lange davon geträumt haben): „Warum gehen wir nicht einfach auf Weltreise?“ Jetzt. Bald.
Gefühlt so viele Familien haben es schon vor uns gewagt, warum nicht auch wir? Innerhalb weniger Sekunden, sieht man die Bilder vor sich...wie es sein wird als Familie zu viert im Dschungel, im Flugzeug, unterm Sternenhimmel, am Strand, im Camper auf endlosen Straßen, im Zelt mitten in der Natur und im Großstadtgetümmel. Sich einfach mal treiben lassen.
Neue Orte, Menschen, Geschmäcker und Sitten entdecken. Nicht auf die Uhr schauen. Streckenweise kein WIFI, keine Mails, kein Instagram. Nur Sein. Im Jetzt. Es überkommt einen diese unvergleichliche kribbelnde Reiselust. Am liebsten will man sofort das Flugticket buchen und die Koffer packen.
Dann kurze Bedenken: der lange Flug, die vielen unterschiedlichen Unterkünfte, mögliche Krankheiten, gefährliche Tiere, immer unterwegs...Die Kinder noch so klein (zwei und vier Jahre). Wird es zu anstrengend für sie oder für uns? So ganz ohne Kita, Tag und Nacht nonstop zusammen? Die Arbeit, die Kunden, die Wohnung und natürlich das liebe Geld. Wir sind gerade vor einem Jahr erst von München nach Berlin gezogen und haben zu zweit in unserem Unternehmen gestartet. Jetzt schon wieder die neue Stadt und das Büro verlassen? Wie machen wir das? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt oder doch noch warten?
Man denkt dann an Sätze von älteren Freunden, deren Kinder mittlerweile erwachsen sind: „Genießt die Zeit solange die Kinder so klein sind in vollen Zügen. Sie vergeht so schnell und arbeiten könnt ihr noch das ganze Leben.“
Oh ja!!!, schreit der innere Kommentator laut und rechnet: Jonathan ist jetzt vier Jahre alt...Bald geht er in die Schule. Wir haben immer von einer Weltreise geträumt. Wann, wenn nicht jetzt?! Mein Mann und ich haben beide die letzten Jahre viel gearbeitet. Ich habe mich gleich nach dem Studium 2009 mit meinem Unternehmen
NECTAR & PULSE selbstständig gemacht und seitdem nie länger als mal ein, zwei Wochen Urlaub gemacht. Gereist, meistens beruflich. Wir haben unsere zwei Kinder bekommen. Als Unternehmerin war jedoch auch die Elternzeit begrenzt. Chris hat neben seiner Arbeit bei einem Automobilkonzern auch noch promoviert. Wir haben eine zweijährige Coaching Ausbildung gemacht und sind zwei mal umgezogen. Davon einmal von München nach Berlin. Es war eine wunderschöne, aber auch sehr turbulente und oft auch anstrengende Zeit, sowohl geistig wie körperlich.
Wir dachten, jetzt wo wir zusammen NECTAR & PULSE machen, die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, wir schon immer davon geträumt haben... jetzt machen wir es einfach! Der Entschluss eine Weltreise zu machen, ist wie mit dem Kinder kriegen -
„Es gibt nie den perfekten Zeitpunkt, aber wenn es dann soweit ist, ist der Zeitpunkt perfekt.“ -
So oft davor haben wir es uns nicht erlaubt, waren uns andere Dinge wichtiger. Wir haben es einfach auch sehr genossen, als Familie eingekuschelt viel zu Hause zu sein. Diesmal sollte aber (wieder) die Reiselust gewinnen. Dann haben wir ja auch das Glück, das wir die Reise beruflich nutzen können und all die schönen Orte, die wir besuchen auf
nectarandpulse.com mit euch nach und nach teilen. Ab diesem Jahr geben wir auch wieder gemeinsam mit einem Partner gedruckte Reiseführer heraus. Der Fakt, das wir selbstständig sind und unsere Arbeit (=Computer) in gewissem Maße mitnehmen können auf so einer Reise ist natürlich perfekt. Wir haben aber so viele andere Familien auf der Weltreise getroffen, jede mit anderen Hintergründen, Budgets und Voraussetzungen. Und es bleibt wie mit so vielem im Leben: Wenn man es machen will, findet sich ein Weg!
Am Abend dann alle in der Badewanne. Ich: „Schatz, wollen wir nicht jetzt auf Weltreise gehen?“ (breites Grinsen). Mein Mann leuchtende Augen, ähnlicher Gedankenfilm wie ich. „Ja, auf jeden Fall!“ Die Kinder Jonathan (4 Jahre): „Sind da Haie?“, Victor (2 Jahre): „Mama, Flugzeug?“ Super, alle dabei. Begeisterung und Vorfreude. So, das wäre geklärt. Trotzdem noch irgendwie unvorstellbar. Wie ging es weiter? Fragen über Fragen...
> Wann soll es losgehen? Natürlich über den Winter, wenn es bei uns in Berlin kalt und grau ist. Sonne und Strand – herrlich!
> Wie lange wollen wir unterwegs sein? 6 Monate, dann nach Hause uns reorganisieren, Geld verdienen und dann am liebsten nochmal 6 Monate nach Zentral- und Südamerika und Afrika.
> Wo soll es hingehen? Hm, schwierig. Wir wollen auf jeden Fall einmal um die Erde. Welche Stopps? Alles, wo wir noch nicht waren, was unkompliziert mit den Kids ist, viel Natur, Abwechslung und nicht zu viele Flüge: Von Berlin über Helsinki nach Hong Kong (10 Tage), weiter nach Bali und Nusa Lembongan und Nusa Penida (7 Wochen), nach Australien (8 Wochen), Neuseeland (5 Wochen), Hawaii (3 Wochen), eventuell Peru, New York und von dort zurück nach Berlin.
> Wo wollen wir schlafen? Airbnb, Freunde, Zelt, Hotels und Campervan.
> Welche Impfungen brauchen wir? Hepatitis, Tollwut, Cholera, Typhus, Tetanus.
> Was wollen wir alles mitnehmen? Möglichst wenig. Beide Kinder laufen gut. Einen Buggy (haben wir mittlerweile verschenkt) und eine Trage (wir haben die von Babybjörn – gold wert!), Zelt und Equipment haben wir in Australien im Sale gekauft, Kameraequipment und Laptops. Macht: 2 Koffer, 1 Tasche, 2 Rucksäcke, 2 Mini Kinderrucksäcke und seit wir in Australien sind 1 Sperrgepäck mit Zelt usw....
> Wohnung: untervermietet.
> Kita: gekündigt und für die Rückkehr 2 neue Plätze organisiert.
> Auto: verkauft.
> Versicherung: still gelegt und Reiseversicherung abgeschlossen.
> Visum, internationaler Führerschein, aktualisierte Pässe: check!
> Inspiration tanken: Filme (Weit, Into the Wild, Tales of Light, Given, Captain Fantastic...), Instagram (
@courtneyadamo,
@likemiljian,
@thegoodwinway@thebucketlistfamily,
@lea_rieck), Bücher (Shantaram, Das Café am anderen Ende der Welt, One year on a bike, The Great Outdoors, Das große Bilderbuch der ganzen Welt, Alle Welt, The Travel Episodes etc...)
Super! Flüge buchen los geht’s. Der Moment, wenn man final den BUCHEN-Button klickt, ist phänomenal!
Mittlerweile sind wir über drei Monate unterwegs. Genug um eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Mit zwei kleinen Kindern zu reisen ist einfacher als man glaubt, wunderschön, transformierend und herausfordernd. Eine Weltreise zu machen, ist wie sich einmal aus seinem Leben raus-zu-zoomen und es von ganz weit weg zu betrachten. Geografisch wie metaphorisch. Andere Lebenskonzepte, Menschen und Kulturen kennen lernen. Zu reflektieren, wie man sein Leben gestalten will. Mit was man glücklich ist und was man verändern möchte. Die Welt wird irgendwie gleichzeitig kleiner und größer. Man lernt sich, seinen Partner und seine Kinder nochmal ganz neu kennen. Als Reisende, als Abenteurer und in Grenzsituationen.
Grenzsituationen sind jene, wenn das Kind „Bali Belly“ = Durchfall hat und das duftende Übel während man ein Zelt aussuchen will im Laden auf den (Teppich-)Boden runterläuft und beim hektischen Aufwischen die Hälfte auf einem selber landet. Während man einen fiesen Jetlag hat, draußen 40 Grad sind und aus Überanstrengung einen sinnlosen Streit mit seinem Partner beginnt. Wenn man statt geplanten zwei Stunden fünf Stunden in einem kleinen verrauchten Taxi über holprige Straßen quer über Bali fährt um ein verstecktes Häuschen zu finden, das man gemietet hat. Mit müden quengelnden Kindern und danach das vierfache vom vereinbarten Preis verlangt wird.
Wenn man seine gopro Kamera mit den schönsten Erinnerungsfilmchen wo stehen lässt, ohne sie vorher gesichert zu haben. Wenn man Weihnachten bei einem Temperaturfall von 40 auf 10 Grad in den Blue Mountains verbringt und durchgekühlt ohne Schlafsack im Zelt aufwacht und die ganze Nacht keiner mehr ein Auge zu tut. Wenn man in Hong Kong fast keinen Lift vorfindet und zwei Kinder plus Buggy die Treppen hoch und runterträgt. Hungrig und müde. Wenn man zu viert zu seinem Flieger laufen muss, weil man ewig im Stau steckt. Sich die Punkrock Gang einen halben Meter neben sein Zelt hinstellt, eher bescheidene nächtliche Bandproben macht und der zugehörige Hund seine Lieblingssandalen zerfetzt. Der ganz normale Wahnsinn halt. Wie zu Hause jedoch auch immer wieder mit kleinen Kindern oder generell Leben halt.
Man sieht und spürt ganz offensichtlich wie privilegiert man ist, so etwas machen zu können und in einem Land wie Deutschland zu wohnen. Man wird demütig und dankbar. Auch ist man wieder ganz begeistert darüber, in Berlin zu wohnen und generell in Europa. Für einige ist Reisen ein „weg von“, eine kleine Flucht aus dem Alltag. Dann wird man die gleichen Probleme wie zu Hause auch wieder unterwegs haben. Nur eben in einem anderen Land.
„Wir wollten die Reise bewusst nutzen, um unsere Sterne neu zu ordnen.“ -
Um alte Dinge vollständig zu machen und nach sieben Jahren Partnerschaft wieder eine neue Ära einzuleiten. Bevor wir im gemeinsamen Unternehmen durchstarten nochmal die „Hold“- Taste drücken. Einatmen. Ausatmen.
Seit wir uns 2011 getroffen haben, fühlte es sich an wie im Schnellzug zu sitzen. Ich hab Chris nur ein halbes Jahr nach dem
Selbstmord meines Papas kennen gelernt. Wir haben uns Hals über Kopf verliebt, so viel war neu, zusammen ziehen, heiraten, Kinder kriegen, arbeiten und ein komplett neues Leben erschaffen. Mama und Papa werden. Familie sein. Viel Altes aus dem Weg räumen. Wir wollten die Vergangenheit nochmal ganz bewusst Revue passieren lassen, die Batterien aufladen. Philosophieren. Ein Buch schreiben. Neue Projekte beginnen. Uns erholen und Spass haben.
Was wir am meisten lieben ist die intime intensive Familienzeit, die vielen Kontraste und so viel in der Natur zu sein. Als Paar noch mehr zu verschmelzen und das gemeinsame reisen zu meistern. Diese unfassbare Nähe, die durch das geteilte Erleben der Welt entsteht. Wir lieben es unsere Kinder dabei zu beobachten, wie sie über sich hinaus wachsen. Und wir mit ihnen. Dinge, die ihnen zuvor Angst gemacht haben, nun willkommen heißen. Mit Kindern spielen, die nicht ihre Sprache sprechen. Auf andere zugehen. Fremde Tiere kennen lernen. Von langen großen Schlangen bis hin zu Kängurus und Delfine. Im Meer mit den Wellen toben. Neues Essen probieren. Sich einlassen, weiterentwickeln und immer mutiger werden. Die beste Bildung unserer Meinung nach. Ich glaube diese Erfahrungen haben sie für immer abgespeichert und prägen sie. Es sind die großen und kleinen Momente die so eine Reise so besonders machen: bewusst langsamer leben, dem Prozess des Reisens zustimmen. Ohne bestimmtes Ziel einfach mal wandern und reisen.
Die Gedanken kommen und gehen lassen. Wild campen unter einem gigantischen Sternenhimmel mit wilden Kängurus und Koalas, sich in die Fluten schmeißen und surfen lernen, in Bali die Reisbauern bei der Ernte begleiten, Mangos frisch vom Baum essen und unter Wasserfällen duschen. Einen hellsichtigen Heiler kennen lernen. Romantische Zeltnächte.
„Zu viert nebeneinander aufwachen und einfach mal liegen zu bleiben. Keiner muss wohin.“ -
In Hong Kong vom 60. Stockwerk das Lichtermeer bewundern und im Auto gemeinsam laut Lieder singen. Zu viert auf einem Roller über die Insel cruisen. Den Wind in den Haaren spüren. Es verschmelzen die eigenen Kindheitserinnerungen mit denen der Kinder. Die des Partners mit seinen. Man lebt, so wie ich mir das Leben für mich und meine Familie immer vorgestellt habe: wild, intensiv, abenteuerlich, achtsam und weltoffen. Voller Vertrauen und kindlicher Neugierde. Jeder Tag anders. Voller Lebendigkeit. Häufig denk ich auch an meine eigenen Eltern, die an keinem der Orte waren, die wir auf unserer Reise besuchen. Dann bin ich ganz gerührt und dankbar, dass sie mir das Leben und damit Wurzeln und Flügel geschenkt haben. Dass ich sie überholen darf. Das ich das, was ihnen nie möglich war, erleben darf und für meine Familie ein Leben erschaffen kann, dass sie mir von ganzem Herzen gewünscht hätten.
Man blickt jetzt schon auf so viele wunderschöne Momente zurück. Ich sehe Chris und mich mit 90 im Schaukelstuhl mit unseren Kindern und Enkelkindern immer wieder die Fotoalben rausholen und uns verlieren in all den glückseligen Erinnerungen. Alle Anstrengung vergessen, die das Reisen auch mit sich bringt. Wenn wir zu uns sagen: Ja, das war es sowas von wert. What a ride! Was für eine schöne Welt in der wir leben. Was für ein erfülltes Leben.
Würden wir es wieder tun? Immer!
Empfehlen wir es anderen? Ja! Wärmstens.
Bei Fragen könnt ihr uns sehr gerne schreiben. All unsere Tipps gibt es bald auf
nectarandpuse.com und folgen kann man uns gerne auf
Instagram.
Herzlich,
Tanja
PS.: Ist das nicht sauteuer?
Doch ist es. Aber Leben kostet zu Hause wie auf Reisen. Es gibt gute Möglichkeiten Geld zu sparen: Immer unter der Woche fliegen, gute Flugangebote abwarten, Wohnung untervermieten, Versicherung stilllegen, viel campen, viel selber kochen, günstige Reisedestinationen (haben wir nicht gemacht), alle Abos kündigen, Fliegen bevor das Kind zwei Jahre alt wird (wir haben die Flüge von Victor von Berlin – Bali vor seinem zweiten Geburtstag geplant also ein Flug weniger).
Das Reisen hat uns auch nochmal gezeigt, wie wenig wir eigentlich brauchen. Der Konsumdrang von zu Hause vor allem was Kleidung, Möbel, Kosmetik usw. angeht ist so gut wie weg. Dadurch geben wir in vielen Belangen auch weniger aus wie zu Hause. Vor allem ich.
Generell sind wir aber nicht die Typen, die jeden Cent umdrehen. Vor allem beim Essen. Alles in allem kommt die Reise wohl auf ca. 40.000€ für die gesamte Familie. (Geht sicher günstiger!) Die finanzieren wir über Ersparnisse, Elterngeld, Geerbtes und diverse Einkünfte. Nach dem Tod meiner Eltern, haben wir unser Elternhaus verkauft und dadurch einige Rücklagen gehabt. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Geld anstatt für eine Wohnung o.ä. Eigentum zu verwenden bzw. zu sparen, lieber Erfahrungen, Weiterentwicklung und Familienzeit davon zu ermöglichen. Wie eben diese Reise. Zu Hause hätten wir für diesen Zeitraum ca. 30.000€ ausgegeben. Ich komme aus einem kleinen Ort in Österreich, wo für die meisten das größte Ziel ist, ein eigenes Haus zu bauen. Jeder hat andere Prioritäten. Aber die Meinung, dass das eine soviel mehr kostet als das andere ist falsch.
Da man während der Zeit des Reisens aber natürlich meistens weniger bis nichts verdient, muss man bereit sein, einiges zu investieren, zurückzulegen und sein Budget während der Reise gut im Überblick haben.
Wir wollen reisen solange wir jung und fit sind. Genauso wollen wir auch im Alter noch arbeiten und Projekte realisieren. Dieses Lebenskonzept trifft wohl auf immer mehr Menschen unserer Generation zu.
Ganz nach dem Motto:
„Travel is the only thing you buy that makes you richer.“ -
Fotos - Tanja & Christian Roos