Immobilien & Wohnen
Die Haustour
Julia Winkels zeigt, wie man aus einer runtergerockten Altbauwohnung eine Wohlfühloase machen kann.
von Alexa von Heyden - 05.11.2019
Julia Winkels bewohnt das, was in Berlin zu einem Mythos geworden ist: eine bezahlbare 120 qm Wohnung im Prenzlauer Berg. „Als ich hier vor fünf Jahren einzog, war die Wohnung eine Ruine. Bei der ersten Besichtigung bin ich fast rückwärts wieder rausgegangen“, erzählt die gebürtige Berlinerin, die damals nach der Trennung von ihrem Mann auf der Suche nach einem neuen Zuhause für sich und ihre beiden Kinder war.
Doch genau zwischen Raufasertapeten und abgelatschten Dielen erkannte sie das Potential für ihren persönlichen Neuanfang und entschied sich für eine Renovierung auf eigene Kosten. „Mittlerweile bin ich sehr froh, dass ich es so gemacht habe“, lacht sie. Erst gerade hat der Berliner Senat einen Mietendeckel beschlossen, mit dem die Preise für Wohnungen, die vor 2014 gebaut wurden und neu vermietet werden, die nächsten fünf Jahre nicht steigen dürfen. Das Ziel: Das Leben in der Hauptstadt wieder erschwinglich zu machen.
Julia Winkels würde sofort einen Nachmieter für ihre Wohnung finden, denn sie bewohnt mit ihrer Tochter Ella und ihrem Sohn Theo genau das, wovon die meisten träumen: Eine großzügige Altbauwohnung mit sonnigen Fensterfronten, hellen Dielenböden und einem gemütlichen Wohnzimmerbereich, wo zwischen dem Sofa und Esstisch ein Großteil des Familienlebens stattfinden kann.  

Mit dem Heranwachsen der Kinder verändern sich aber gerade die Bedürfnisse der Bewohner. Mit Ellas 10. Geburtstag wurde klar: Das Mädchen braucht mehr Privatsphäre. „Wir hatten ein Dilemma: Wir haben zwar vier Zimmer, aber eines davon ist ein Durchgangszimmer. Es stellte sich also die Frage: Ziehen wir aus oder verändern wir etwas?“, erzählt Julia. Ein weiterer Umzug war für erstmal keine Option – dafür hat sie zu viel Zeit und Liebe in die Wohnung gesteckt und fühlt sich sowohl ihren Nachbarn als auch dem Kiez und dem italienischen Restaurant im Erdgeschoß („Pappa e Ciccia“) zu verbunden.
Die Lösung: Gemeinsam mit dem Berliner Architektenbüro Jaell & Tofta, das auf die Raumgestaltung von Kinderzimmern spezialisiert ist, dachte sich Julia eine smarte Umbau-Lösung aus, die mehr Privatsphäre und Stauraum bringt. Und zwar für alle.
Schritt 1: Aus dem Schlafzimmer der Mutter wurde das neue Kinderzimmer für Tochter Ella. Schritt 2: In dem Durchgangszimmer, das zuvor das Gästezimmer war, wurde eine Trennwand aus Glas und Holz eingezogen und so ein weiterer Mini-Raum für Julia geschaffen – es  entstand eine gemütliche Koje, die auch eine Rückzugsmöglichkeit für Gäste sein kann.
Theo behält das große Kinderzimmer, dass er sich zuvor mit seiner Schwester teilte. Eigenartigerweise wollten beide Kinder das kleine Zimmer haben. Julia entschied dann aber, dass der kleine Bruder in den nächsten Jahren noch mehr Platz zum Spielen benötigt, als Ella.
Ein Tischler aus Berlin setzte den Jaell & Tofta Entwurf um, der in einer Werkstatt gebaut und vor Ort nur noch eingesetzt werden musste. „Die Glaswand ist durchsichtig, aber man fühlt sich trotzdem geschützt. Jetzt fehlt nur noch ein Vorhang und das Mini-Zelt ist perfekt“, sagt Julia zufrieden.
Dauer des Umbaus: ein Tag. Die Kosten für den Entwurf, Bau und Einbau lagen bei rund 3.700 Euro. Das ist eine Stange Geld, aber eine nachhaltige Investition, die Julia für sich und ihre Liebsten getätigt hat. „In Berlin ist es oft dunkel, kalt und grau. Was macht man als Mutter zweier Kinder? Man ist viel zuhause. Gerade im Winter ist unsere Wohnung ein Entspannungsdomizil.“ Die Winkels sind also gekommen, um zu bleiben.
Für das Wohlgefühl sorgt auch der entspannte Wohnstil, den Julia als „modernes Ethno“ beschreibt. Einer dieser typischen Neubauten in sachten Grau-Abstufungen würde sie eher langweilen. „Mich ziehen Farben an, sie machen mir einfach gute Laune. Bei uns im Büro sieht es auch wie in der Villa Kunterbunt aus, denn ich finde, dass man über Farben eine gewisse Leichtigkeit bekommt.“ Diese Leichtigkeit braucht es nicht nur, um alleine zwei Kinder großzuziehen, sondern auch auf hohem Niveau kreativ zu arbeiten: Julias Agentur Bold hat 50 Mitarbeiter in Berlin, weitere 10 in München und 12 in Los Angeles und betreut renommierte Kunden wie BMW, Uniqlo oder Converse.
Was in ihrer privaten Wohnung auch noch auffällt, ist die Vielzahl ihrer Einflüsse. „Ich liebe es unterschiedliche Kulturen in meinen Wohnstil einzubinden. Ich mag zum Beispiel Stilelemente aus dem Mittleren Osten, Nord-Afrika oder Kalifornien total gerne.  Deshalb findet man bei uns türkische Kelim- und Perser-Teppiche, aber auch handgemachte Räucherstäbchen aus dem Joshua-Tree-Nationalpark oder antike Erbstücke von meiner Oma, an denen ich hänge.“

Julias Instagram-Tipp in Sachen Interior: „The Jungalow“, ein Account, der von der amerikanischen Designerin und Buchautorin Justina Blakeney kuratiert wird. Das Motto: „Bring good vibes home“ – passt zu Julia, die immer positiv in die Zukunft blickt. Das gilt auch für den Umgang mit dem persischen Vater der Kinder, mit dem sie 16 Jahre lang zusammen war. „Die Kultur ist immer noch ein großer Teil von mir und natürlich auch von den Kindern. Ich koche oft mit persischen Einflüssen. Was ich wirklich gut kann ist Hühnchen mit Safran und Linsenreis mit Berberitzen.“ Wer würde da nicht gerne mal zum Abendessen vorbei schauen?!












Der Tisch kann allerdings voll werden. Seit einem Jahr gibt es einen neuen Mann in Julias Leben, ebenfalls getrennt mit Kindern. An ihrer Wohnsituation wird das nichts ändern. „Wir freuen uns, dass wir uns und unsere Kinder haben. Aber ich versuche nicht die Familie zu reproduzieren“, so Julia. „Ich habe in den letzten Jahren so viel gelernt, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Man muss jedem Menschen die Freiheit gönnen, ein eigenes Leben zu führen. Ich habe mich daran gewöhnt, meine eigene Frau zu sein.“ Eine bemerkenswerte Haltung, die man nicht nur Julia Winkels, sondern auch ihrer Wohnung ansieht.
Hier noch die Infos zu Julias Interior:
Sofa groß: Manufactum, Sofa klein: Hay, Sofakissen: Vitra, Hay, Couchtische: Hay , Teppich: Antiker Perser von Oma, Kelim-Teppich von Wild Heart Free Soul, Esstisch: von ihren Ex-Mann selbstgebaut und entworfen, Ali Dowlatshahi, Fernseher: Bang & Olufsen, Hängesessel Kinderzimmer: Cacoon, Hängesessel mit Fell im Flur: Vitra, Grünes Bild: Chris Johanson, Blaue Wandfarbe: Farrow & Ball, Kleiner roter Hocker: Artek , Bild neben Klavier: JR, Mobile über dem Bett: The Jungalow
 
Fotos\xa0 – Philipp Maubach

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